West-Berlin in den Achtzigern

Zeitreise in eine vergangene Lkw-Welt

Christoph Büch hat sich als Lkw-Fotograf einen Namen gemacht. Hauptberuflich war er zunächst Taxifahrer in West-Berlin, dann jahrzehntelang Busfahrer bei der Berliner Verkehrsgesellschaft BVG. In seiner Freizeit begann er schon früh, seiner Leidenschaft für Lastwagen mit der Kamera Ausdruck zu verleihen. Dabei genügt es ihm nicht, einfach nur einen Lkw zu fotografieren, sondern er legt viel Wert auf das Ambiente und die Umgebung. Besonders bekannt ist Christoph auf Facebook für seine Fotos von Lastwagen im Regen, die in einer Wolke aufgewirbelter Tropfen die Straße entlang brausen. In diesem Artikel geht es jedoch um die Anfänge, als er das Berliner Zeitgefühl der 80er Jahre in Schwarzweiß festhielt.

Im Winter 1979 verließ ich im Alter von 21 Jahren meine Heimatstadt Arnsberg in Nordrhein-Westfalen, um in West-Berlin zu studieren. Im Laufe der Jahre habe ich immer mal wieder Fotos von meiner Umgebung und auch von den Lastwagen gemacht, die damals noch überall in der Stadt parken durften. Die meisten Fotos sind Anfang der 80er Jahre entstanden. Zuerst fand ich eine günstige Bleibe in Lichterfelde, dann wohnte ich im Wedding und schließlich zog ich nach Kreuzberg, wo ich noch heute lebe.

Als ich West-Berlin Anfang der 80er Jahre kennenlernte, war es noch weitgehend eine Arbeiterstadt mit billigen Wohnungen und vielen Kneipen. Ich habe 1980 meinen Personenbeförderungsschein gemacht und als Taxifahrer gearbeitet. Sehr oft habe ich Arbeiter in die Kneipen gefahren und wieder abgeholt. Und fast nie gab es Ärger. Ich habe die Berliner lieben gelernt. Ein direkter Ton, da wurde auch mal gepöbelt, das machte nichts, man pöbelte einfach zurück und alles war gut. Im Wedding beim Bäcker haben sich die Verkäuferinnen kaputt gelacht, als ich "Teilchen" kaufen wollte. Da musste man einfach mitlachen. So nennt man im Rheinland verschiedene Backwaren.

Im Wedding konnte man sich richtig wohl fühlen. Die Wohnungen waren billig, die Leute konnten von ihrer Arbeit gut leben. Natürlich war die Luftqualität zu der Zeit nicht gerade gesund, aber das hat man noch nicht so wahrgenommen. Was man aber sehr wohl gemerkt hat, waren die eiskalten Winter, oft mit beißendem Ostwind. Für mich war aber wichtig: Es gab überall Lastwagen. Heute kann man sie in der Innenstadt mit der Lupe suchen.

Die Fotos in diesem Artikel stammen aus den 80er Jahren. Damals habe ich in Schwarzweiß fotografiert, manchmal war das Filmmaterial etwas körnig und in der dunklen Jahreszeit machte sich die düstere Stimmung der winterlichen Großstadt auch auf den Fotos bemerkbar. Aber gerade diese etwas melancholischen Bilder fangen die Atmosphäre der geteilten Stadt West-Berlin vor dem Mauerfall ziemlich gut ein, finde ich.

Dieser MAN-Kipper vom Typ 26.256 stand um 1981 in der Osloer Straße in Berlin-Wedding. Er hatte den V8-Diesel aus der Kooperation mit Mercedes unter der Haube. 200 Meter weiter links befand sich der Grenzübergang Bornholmer Brücke nach Ost-Berlin.
Die Spedition Josef Wiechers aus Bochum hatte in der Grüntaler Straße in Berlin-Wedding ein kleines Gelände. Das Gebiet an der Osloer Straße lag in unmittelbarer Nähe zum Grenzübergang Bornholmer Brücke. In den achtziger Jahren gab es an vielen Orten der Stadt ähnliche Niederlassungen westdeutscher Speditionen. Man hätte damals viel mehr Fotos machen sollen.
Blick auf das Gelände des Anhalter Güterbahnhofs am Gleisdreieck. Hinten erkennt man einen Mercedes NG der Spedition Konrad Zippel.
Ein kalter Wintertag am Anhalter Güterbahnhof. Man kann fast Mitleid mit dem abgearbeiteten Büssing links haben. Hinten rechts erkennt man einen silbernen MAN der Spedition Wrobbel, hinten links einen Mercedes NG von Samko. Es war ein nebliger Tag mit der üblich schlechten Luft. Autos ohne Katalysator, überall Kohlenheizungen und der schwefelhaltige Braunkohlenduft aus dem Osten sorgten stadtübergreifend für dicke Luft. Regelmäßig war es auch richtig kalt.
Ein Wintertag an der Bautzener Straße im Gleisdreieck. Hier befand sich das Gelände eines Kohlenhändlers, der mit diesem MAN 16.240 HK beliefert wurde. In der kalten Jahreszeit war der MAN sicher oft unterwegs. Neben Kohlenhändlern gab es auf dem Gelände in der Nähe der Yorck-Brücken auch mehrere Speditionen und einen Händler für gebrauchte Lkw namens Nufa.
Laderampe am Anhalter Güterbahnhof, links die Spedition Samko, die im Nahverkehr Mercedes Kurzhauber und Ford D einsetzte. Im Fernverkehr wurden Anfang der 80er Jahre Mercedes NG 1632 gefahren. Rechts die Spedition Haco mit blau lackierten Magirus-Lkw.
Auch dieser MAN-Büssing 22.320 der Firma Binnen-Container-Transport stand am Anhalter Güterbahnhof. Am Gebäude rechts erkennt man die Schilder der Speditionen Barthel und Haco.
Auch dieses Foto entstand am Anhalter Güterbahnhof: Neben einem Kohlenberg schlief ein stillgelegter Magirus-Rundhauber, der sicher lange Jahre im Nahverkehr unterwegs gewesen war. 
MAN mit Abrollmulde des Unternehmens Klaus Metschurat im Einfahrtbereich des Anhalter Güterbahnhofs um 1981.
An der Heidestraße in Berlin-Moabit gab es bis etwa zur Jahrtausendwende viele Lagerhallen. Das Foto zeigt einen Büssing der Spedition Godejohann an einer Laderampe.
An der Heidestraße gab es auch ein Zementwerk. Hier entstand 1982 dieses Foto eines MAN-Kippers mit Anhänger.
Ein Büssing Burglöwe von Union-Transport an einer der zahlreichen Laderampen an der Heidestraße.
Wir sind immer noch in der Heidestraße, nun etwas weiter östlich. Ein Büssing mit Anhänger wartete an der Rampe auf Be- oder Entladung.
Auch dieser klassische Büssing-Lastzug stand an der Heidestraße. Im Hintergrund erkennt man das Gebäude des Hamburger Bahnhofs, in dem sich heute die Nationalgalerie der Gegenwart befindet. Der Grenzübergang Invalidenstraße war in unmittelbarer Nähe. Der Büssing hatte den Aufkleber "Im Auftrag der DB“, er fuhr also für die Deutsche Bundesbahn. Dazu ist ein Mercedes-Kurzhauber der Spedition Rieck zu sehen.
An der Heidestraße gab es ausgedehnte Gewerbegebiete mit zahlreichen Speditionen. Man befand sich hier direkt an der Grenze zu Ost-Berlin und damit an der Berliner Mauer. Eine der dort ansässigen Firmen war die Spedition Rieck, die diesen Büssing betrieb. Erfreulicherweise ist die Spedition Rieck noch aktiv. Das Unternehmen hält bis heute an der traditionellen blau-gelben Lackierung fest. Der Standort Heidestraße ist allerdings Geschichte.
Zum Zeitpunkt dieser Aufnahme stand ein MAN-Büssing 22.320 der Firma Paul Gatz auf dem unbefestigten Speditions-Gelände von Union-Transport an der Heidestrasse. LInks auf dem Dach sieht man das Schild von "Solex", eines Unternehmens, das hier Vergaser produzierte.
Am Lützow-Platz, im Herzen der West-Berliner Innenstadt, nicht weit vom Zoologischen Garten und dem Kurfürstendamm entfernt, konnte man bei der Firma Auto-Jäger gebrauchte Lkw kaufen. Auch ein Schrottplatz befand sich auf dem Firmengelände. Möglich war das, weil es in West-Berlin selbst in den 1980er Jahren noch große unbebaute Flächen gab, besser gesagt frei gebombte Flächen. Überall waren noch die Kriegsfolgen zu sehen. Auf der anderen Seite des Lützow-Platzes befand sich eine weitere freie Fläche, auf der jahrelang Volksfeste mit Rummelplatz stattfanden. Das Foto zeigt zwei eindrucksvolle Magirus Uranus mit luftgekühlten V-12-Motoren bei Auto-Jäger. Möglicherweise hatten sie bei den britischen Besatzungstruppen in Berlin gedient.
Bei Auto-Jäger hoffte Anfang der 80er Jahre auch diese Reihe ausgedienter Nutzfahrzeuge auf ein neues Leben. Der Mercedes-Bus im Vordergrund könnte ein ehemaliges Fahrzeug der US-Truppen in Berlin sein. Übrigens gab es damals ganz in der Nähe noch zwei weitere Händler von gebrauchten Nutzfahrzeugen.
Dieser klassische Henschel-Kipper stand etwa 1981 im Gewerbegebiet an der Naumannstraße in Berlin-Schöneberg, wo auch einige Speditionen zuhause waren.
Auf dem ausgedehnten Gelände des Westhafens stand um 1982 ein klassischer Büssing-Lastzug der Spedition Heublein. Im Hintergrund ist das Kraftstofflager zu sehen.
Zwei Büssing-Lastwagen der Spedition Heublein rahmten am Westhafen einen MAN 13.230 HK ein.
Ein Magirus-Kipper des Bauunternehmens Gildemeister passierte das Kohlenlager der Städtischen Brennstoff-Versorgung (SBV) am Westhafen.
Der gesamte West-Berliner Bauschutt wurde damals per Binnenschiff auf eine Deponie in der DDR gebracht. Die Verladestelle befand sich auf dem Gelände des Westhafens. An einem heißen Sommertag herrrschte hier Hochbetrieb. Interessant ist auch das Gelände der SBV mit dem gewaltigen Kohlenberg rechts hinten. Es schien hier eher ruhig zuzugehen, ein Mitarbeiter reinigte gerade einen Unimog mit dem Wasserschlauch. Wegen der Rabatte bestellten sparsame Mitbürger ihre Kohlen im Sommer, denn in der Heizsaison war Brennmaterial teurer.
Im Sommer 1982 wurde ein MAN 16.240 am Westhafen mit Kohle beladen. Rundum eindrucksvolle Kohlenberge. Im Winter tauchte derselbe Kipper auf dem Geländes eines Kohlenhändlers am Gleisdreieck auf. Er belieferte die zahlreichen Kohlenhändler der Stadt. Die Berliner heizte damals zu einem großen Teil noch mit Kohle.
Ein MAN-Büssing der Spedition Godejohann an der östlichen Einfahrt des Westhafens. Im Hintergrund rechts der Getreidespeicher.
Ein gut aussehender MAN-Haubenwagen beim Verlassen des Westhafen-Geländes, nachdem er eine Ladung Bauschutt dort abgekippt hat. Interessant ist der Mercedes-Aufkleber "V 10". Da hat der Kollege wohl ein wenig übertrieben.
Vor dem Kornspeicher auf dem Westhafen-Gelände etwa 1982: klassischer Mercedes-Kipper des Typs 1624 mit Anhänger.
Mercedes LP 1624 des Schiffahrts-Kontors Gustav Lücke Nachfolger im Sommer 1982 vor dem Verwaltungsgebäude des Westhafens.
Das Gelände des Westhafens hat sich zum Glück über die Jahre kaum verändert. Auf dem Foto ging gerade die Sonne über dem Verwaltungsgebäude unter. Jahr der Aufnahme etwa 1983
In vielen Berliner Bezirken gab es Güterbahnhöfe, ein Relikt aus der Zeit der Industrialisierung, als die Eisenbahn fast den gesamten Güterverkehr abwickelte. Auf dem Gelände des Güterbahnhofs an der Siemensstraße in Berlin-Moabit stand in den 90ern dieser klassische Mercedes mit Großraum-Fahrerhaus.
Zementmischer-Sattelzug von Behrens an der Köpenicker Straße auf dem Gelände der BEHALA (Berliner Hafen- und Lagergesellschaft) in den 90ern
Ebenfalls in der Köpenicker Straße stand dieser Mercedes NG 2628 der Zemtrans. Unvergessen ist der hämmernde Sound des V8-Motors. Die Berliner Mauer war inzwischen Geschichte, wie man am Kennzeichen ZS für Zossen erkennen kann. Die Stadt Zossen liegt in Ostdeutschland, wo die Autokennzeichen zu DDR-Zeiten einer anderen Nomenklatur folgten.
Auch das Foto dieses Iveco-Sattelzugs mit dem eindrucksvollen Radstand entstand in den 90ern an der Köpenicker Straße. Ausgesprochen wendig war er sicher nicht. Gut möglich, dass hier noch ein luftgekühlter Magirus-Deutz-Diesel arbeitete.
Definitiv kein Show-Truck: Magirus mit Abrollmulde etwa 1994 in Berlin-Neukölln.
Noch in den 90ern hatte der Berliner Schausteller Peter Müller diesen MAN 13.230 im Einsatz. Auf dem Foto befand er sich auf dem Gelände der Neuköllner Maientage an der Hasenheide.