Die Ackermann-Story, Teil 1
Stabholzaufbauten und Leichtmetall-Karosserien
Fahrzeugaufbauten sind für das Transportgewerbe unverzichtbar. Die Fahrzeughersteller bieten in der Regel nur Chassis mit Fahrerhäusern an, die erforderlichen Aufbauten sowie Anhänger und Sattelauflieger werden von Fahrzeugbaubetrieben geliefert.
Ackermann aus Wuppertal hat sich nicht nur mit formschönen Kasten- und Kofferaufbauten einen Namen gemacht, sondern auch mit einer Vielzahl innovativer Produkte. Was Ackermann in den fast 150 Jahren seines Bestehens alles zu bieten hatte, hat Markus Hügle für uns in seiner Firmengeschichte recherchiert. Teil 1 befasst sich mit den Anfängen bis in die Nachkriegszeit, die Teile 2 und 3 beschreiben die Zeit bis in die 70er Jahre und Teil 4 die letzte Epoche bis zur Übernahme durch den US-Konzern Fruehauf und das bittere Ende 1996.
Wuppertal, eine Stadt im Nordwesten Deutschlands, ist bekannt für ihre Schwebebahn über dem Fluss Wupper, der mitten durch die Innenstadt fließt. Zu Zeiten des Wirtschaftswunders war die Stadt ein Zentrum des deutschen Nutzfahrzeugbaus, denn gleich drei Unternehmen boten die gesamte Palette der Lkw-Aufbauten an. Es waren die Firmen Blumhardt, Ackermann und Eylert. Die größte in diesem Trio war Blumhardt mit einem enorm hohen Exportanteil. Eylert war die kleinste der drei Firmen und auch die erste, die 1973 ihren Betrieb einstellen musste. Ackermann lag größenmäßig dazwischen und war Europas bedeutendste Spezialfabrik für geschlossene Aluminiumaufbauten zum Transport von Möbeln, Verpackungen, Textilien und Lebensmitteln. Stolz bezeichnete sich das Unternehmen als „Der Leichtmetallspezialist“. Alle drei Firmen hatten frühzeitig professionell geführte Vertriebsabteilungen aufgebaut. Mit Verkaufsbüros und umfangreichem Werbematerial waren sie flächendeckend in Deutschland vertreten und verkauften ihre Produkte auch in anderen Ländern, während viele deutsche Aufbauhersteller oft nur ihre unmittelbare Region belieferten. So gelang es allen drei Unternehmen, ihre Namen als einprägsame Marken im Nutzfahrzeugbau zu etablieren.
Doch beginnen wir am Anfang: Im Jahre 1850 gründete der Fahrzeugbauer Carl Wilhelm Ackermann in Vohwinkel eine Wagenbauwerkstatt. Die Stadt Wuppertal gab es damals noch nicht, sie entstand erst 1929 durch den Zusammenschluss der beiden Städte Elberfeld und Barmen sowie weiterer Ortschaften wie Cronenburg, Roßdorf und eben Vohwinkel. In Cronenburg war die Firma Clerck ansässig, ein Spezialist für Fahrgestellumbauten, der später auch Ackermann belieferte. Gebaut wurden zunächst alle Arten von Rollwagen vor allem für die Landwirtschaft und natürlich Pferdewagen.
Bald spezialisierte man sich jedoch auf den Bereich der Nutzfahrzeuge, deren Abnehmer vor allem in der Industrie zu finden waren. Schwere, von Pferden gezogene Pritschenwagen und Plateau-Tieflader für den Transport von Schüttgut, Baustoffen und Maschinen gehörten um 1900 zur Angebotspalette. Als ab etwa 1910 immer mehr motorisierte Zugmaschinen zum Einsatz kamen, bot Ackermann die passenden Anhänger an.
Wenig später wurden auch die ersten geschlossenen Spezialaufbauten für die damals neu aufkommenden Lastkraftwagen gebaut. Ein besonders wichtiger Bereich waren Möbelwagen und kleinere Aufbauten für den Lebensmitteltransport.
Geschlossene Aufbauten entstanden damals in Stabholzbauweise. Auf den eisernen Fahrzeugrahmen wurde ein Hilfsrahmen aus Holz montiert, der den Aufbau trug. Dieser bestand aus einer Holzrahmen-Konstruktion, die mit senkrechten Holzstäben beplankt war. Die Dächer hatten meist eine halbrunde Form, wie sie damals auch bei Eisenbahnwaggons üblich war.
Der große Nachteil dieser Bauweise war das hohe Eigengewicht des Aufbaus. Dadurch verringerte sich nicht nur die Nutzlast, sondern auch die enorme Beanspruchung von Bremsen, Reifen und Fahrwerk von Motorwagen und Anhängern bei oft widrigen Straßenverhältnissen. Zunächst versuchte man mit größeren Motoren und verstärkten Fahrgestellen Abhilfe zu schaffen, doch das machte die Fahrzeuge nur noch schwerer. Die Lösung konnte also nur in einem alternativen Material liegen, das Zauberwort hieß „Leichtmetall“ statt Holz.
Bei den Möbelspediteuren hatte sich Ackermann in den 1930er Jahren einen guten Ruf erworben, stattliche Möbelwagen mit passenden Anhängern auf LKW-Fahrgestellen verschiedener Hersteller verließen die Werkshallen. Neben der Firma Schumann in Werdau war Ackermann der führende Anbieter von Stabholzmöbelwagen, die traditionell großflächig und aufwendig beschriftet waren.
Die Fahrzeuge waren die Visitenkarte jeden Fuhrunternehmers, entsprechend hoch waren die Anforderungen an die Schriftenmaler, die ihr Handwerk bestens verstanden. Gleichzeitig experimentierten die Ingenieure und Konstrukteure bei Ackermann eifrig mit dem neuen Werkstoff Leichtmetall. Auch andere Aufbauhersteller wie Staufen Fahrzeugwerke in Eislingen, machten erste Erfahrungen mit Aluminium-Legierungen. Doch der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs setzte diesen Bemühungen ein jähes Ende. Wie alle anderen Unternehmen wurde auch Ackermann in die Kriegswirtschaft eingebunden und produzierte nun vor allem militärtaugliche Standardlastwagen.
1943 wurden große Teile des Werkes wie auch viele andere Industrieanlagen in Deutschland durch alliierte Luftangriffe zerstört. Erst nach der Währungsreform 1948 konnten unter dem damaligen Inhaber Karl Kölker, später unterstützt von seinem Sohn Carl Wilhelm Kölker, wieder Versuche mit Leichtmetall-Konstruktionen aufgenommen werden.
Das Konzept von Ackermann sah eine rahmenlose Plattenstruktur vor. Die Panele waren durch selbst entwickelte Klemmprofile solide miteinander verbunden und bildeten einen tragfähigen Aufbau. Auf Nieten und Schrauben konnte verzichtet und eine glatte Außenfläche erzielt werden.
Die vertikalen Leichtmetallprofile stellten ein durchdachtes Baukastensystem dar, das sich problemlos an unterschiedliche Radstände des Trägerfahrzeugs anpassen ließ und auch in der Höhe variabel war. Bei Beschädigungen konnten einzelne Leichtmetall-Elemente schnell und kostengünstig ausgetauscht werden. Ackermann ließ sich diese Konstruktion patentieren. Auch der Konkurrent Staufen hatte ein Patent auf Leichtmetallaufbauten, dessen Konzept sich aber durch Nietenverbindungen vom Ackermann-Prinzip unterschied.
Leichtmetallaufbauten setzten sich bald durch. Zwar waren einige Möbelspediteure anfangs noch skeptisch und bestellten weiterhin Stabholzaufbauten, aber spätestens Anfang der 50er Jahre wurde nur noch Leichtmetall verwendet, denn die Kunden waren nun endgültig überzeugt. Der Bedarf an Neufahrzeugen war damals groß, denn die notdürftig reparierten oder aufwendig wieder aufgebauten Vorkriegsfahrzeuge sowie die alten, schweren Anhänger hatten ausgedient.
Dieser Artikel wurde im Sommer 2023 geschrieben. Der Autor ist Markus Hügle aus Teningen, Deutschland