100 Jahre Berliner Doppeldecker

Die Geschichte der Doppelstockbusse in den 50er und 60er Jahren in Berlin

Am Sonntag, den 23. März fand die erste Sonderfahrt des Jahres 2025 mit einem historischen Doppeldecker statt. Jedes Jahr organisiert die „Arbeitsgemeinschaft Traditionsbus Berlin“ verschiedene Fahrten durch Berlin, denn „Verkehrsgeschichte gehört nicht ins Museum, sondern auf die Straße“, so das Motto des Vereins. Start war um 10:00 Uhr am U- und S-Bahnhof Jungfernheide, dann ging es für zweieinhalb Stunden entlang der ehemaligen BVG-Linie 25 nach Britz. Wir nehmen diese Sonderfahrt zum Anlass, einen Blick auf die Berliner Doppeldecker der Nachkriegszeit zu werfen, denn auch wenn truckinfocus.com eigentlich dem Lkw gewidmet ist, sollte ein Abstecher in die Welt der Omnibusse erlaubt sein.

Vor hundert Jahren wurden die ersten Doppeldecker mit in die Karosserie integriertem Oberdeck von der Allgemeinen Berliner Omnibus Aktien-Gesellschaft (ABOAG) in Betrieb genommen. Schon vorher gab es in Berliner Stadtbussen Dachsitze, die über eine am Heck angebrachte Treppe zu erreichen waren. Auf das mit einer Reling versehene, oft gewölbte Dach der Eindecker hatte man Sitzbänke geschraubt, um die Fahrgastkapazität zu erhöhen. Die Sicherheit der oben sitzenden Fahrgäste ließ jedoch zu wünschen übrig.

Schon vor den eigentlichen Doppeldeckern konnten die Fahrgäste der ABOAG oben sitzen. Über eine Wendeltreppe erklomm man das Dach und nahm auf einer Sitzbank Platz. Das umlaufende Geländer konnte allerdings nicht die nötige Sicherheit gegen Absturz bieten. Das Foto stammt aus der Sammlung Ralf Weinreich.

1925 kaufte die ABOAG je einen Doppeldecker aus London und Chicago. Der dritte wurde in Eigenregie auf einem Fahrgestell der N.A.G. (Nationale Automobil Gesellschaft) gebaut. 1927 erhielt die gleiche Berliner Firma einen Großauftrag für Omnibusfahrgestelle, die nach einem Konzept der ABOAG bei Orenstein & Koppel in Berlin mit doppelstöckigen Aufbauten versehen wurden. 175 Busse der Baureihe D2 entstanden bis Ende 1928. Einige dieser Oldtimer waren noch bis in die Fünfziger Jahre im Einsatz, zwei sind bis heute erhalten.

Die ersten Berliner Doppeldecker mit geschlossenem Oberdeck bezog die ABOAG von der Berliner Firma Orenstein & Koppel. Dort wurden ab 1925 die Fahrgestelle der Nationalen Automobil.Gesellschaft (N.A.G.) mit Doppelstockaufbauten versehen.

Die Entwicklung nahm ihren Lauf, aus der ABOAG wurde 1929 die Berliner Verkehrs Gesellschaft (BVG) und 1952 wurden die Frontlenker eingeführt, denn bis dahin hatten alle Doppeldecker in Berlin, abgesehen von drei Prototypen aus dem Jahr 1939, lange Schnauzen.

Motorhauben prägten jahrzehntelang das Erscheinungsbild aller Berliner Busse. Auf dem Nummernschild des abgebildeten Doppeldeckers sind die Buchstaben "KB" zu lesen, die Abkürzung für Kommandantura Berlin, eine Kennzeichnung der sowjetischen Besatzungsmacht. 1956 änderte sich die Nomenklatur, als das "B" für alle West-Berliner Fahrzeuge eingeführt wurde. Den dreiachsigen Doppeldecker D 38 auf dem Foto stellten die Firmen Büssing (90 Einheiten), Henschel (10 Einheiten) und Daimler-Benz (100 Einheiten) von 1938 bis 1940 her.  Bis 1958 gehörten diese Fahrzeuge zum Berliner Straßenbild.
Die einzige Ausnahme vom Haubenwagen-Konzept bildeten drei Doppeldecker-Prototypen, die Mitte der Dreißiger Jahre von der Berliner Verkehrs-Gesellschaft (1929 hatte sich die ABOAG in BVG umbenannt) bei Büssing, Henschel und Daimler-Benz in Auftrag gegeben worden waren. Der Zweite Weltkrieg, der 1939 begann, verhinderte zunächst die Weiterentwicklung. Die drei Frontlenker wurden zwischen 1938 und 1940 in Betrieb genommen und waren in West-Berlin bis 1956 und in Ost-Berlin bis 1958 im Einsatz.

Die neuen Frontlenker-Doppelstockwagen basierten auf Büssing-Fahrgestellen. Die ersten Serien bestanden aus 39 Dreiachsern und 70 Zweiachsern, die ihre Aufbauten bei Orenstein & Koppel, Gaubschat und den Deutschen Waggon- und Maschinenfabriken (später Waggon Union) erhielten, alle drei im damaligen West-Berlin ansässig.

Der erste neue Berliner Doppeldecker in Frontlenker-Bauweise entstand 1951. Im Jahr darauf begann die Serienfertigung der neuen Busse vom Typ D2U 52. Siebzig Exemplare auf Büssing-NAG-Fahrgestellen fertigten Orenstein & Koppel, Gaubschat und die Deutschen Waggon- und Maschinenfabriken. Aus welchem der drei Werke das Foto stammt, ist schwer zu recherchieren.
Das Foto zeigt einen Doppeldecker der Baureihe D2U 52 oder D2U 53 mit Unterflurmotor. Man erkennt es an den planen Frontscheiben, die später nicht mehr eingebaut wurden, denn um 1954 kam gebogenes Glas im Fahrzeugbau auf.
Fahrt ins Grüne: Schon Anfang der fünfziger Jahre betrieb die BVG auch Ausflugslinien. Das Bild zeigt einen der 39 Dreiachser mit Unterflurmotor, die Büssing unter der Bezeichnung D3U 52 an die Berliner lieferte. Diese Busse wurden 1965 ausgemustert.
Wir werfen einen Blick auf einige Details des Doppeldeckers aus den Fünfziger Jahren: Oben links ist das Oberdeck zu sehen - man erkennt die Stufe, die zur ersten Sitzreihe führte. Unter der Stufe befand sich die Fahrerkabine und der vordere Einstieg. Oben durfte geraucht werden, das Unterdeck blieb rauchfrei. Auf dem unteren Foto sieht man den Blick nach hinten, rechts die Ausbuchtung an der Decke, die durch den Gang im Obergeschoss zu erklären ist. Bis etwa 1960 hatten alle Busse offene Türen am Heck. Zunächst gab es nur eine senkrechte Haltestange in der Mitte der Einstiegsöffnung, auf dem Bild ist aber bereits die neuere Ausführung mit einer aufwendigeren Konstruktion mit zwei vertikalen Haltegriffen zu sehen.
Der Doppeldecker vom Typ D2U 55 hatte bereits die im Bereich der A-Säulen gewölbten Frontscheiben. Das Baujahr 1955 geht auch aus dem Nummernschild hervor, denn ab 1956 erhielten die Berliner Fahrzeuge neue Kennzeichen, die mit dem Buchstaben "B" begannen. Das Foto wurde auf dem Kurfürstendamm aufgenommen, im Hintergrund ist die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche noch im Nachkriegszustand zu sehen. Der zerstörte Hauptturm ist bis heute als Mahnmal erhalten, der Turm rechts im Bild wurde Ende der fünfziger Jahre abgerissen, um Platz für den 1961 eingeweihten Turm- und Kirchenneubau des Architekten Egon Eiermann zu schaffen.
Ein Doppeldecker der Baureihe D2U 58 in Alt-Buckow, einem Außenbezirk im damaligen West-Berlin. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1974, der Fotograf ist Hans Koch.

Natürlich ging die Entwicklung auch in Ost-Berlin weiter: Im VEB Waggonbau Bautzen entstanden von 1954 bis 1959 insgesamt 190 Einheiten der Typen Do 54 und Do 56 mit einer damals sehr modern anmutenden, fließend geformten Motorhaube.

Insgesamt 190 Exemplare der Baureihen Do 54 und Do 56 wurden von 1954 bis 1959 beim VEB Waggonbau Bautzen für den Einsatz in Ost-Berlin gebaut. Das Foto nahm Bill Godwin um 1965 in der Straße unter den Linden auf, es stammt aus der Sammlung Michael Haeder.

Darüber hinaus gab es in Ost-Berlin von 1953 bis 1967 auch sieben Doppeldecker in Sattelzugbauweise, genannt DoSa. Die Zugmaschinen des Typs H6 wie auch die Auflieger stammten vom VEB IFA Kraftfahrzeugwerk Werdau (früher LOWA). Auch ein Doppeldecker-Oberleitungsbus in Sattelzugbauwese war damals in Ost-Berlin im Einsatz, gezogen von einer LOWA-Oberleitungs-Zugmaschine des Typs W 601.

Die beiden Fotos zeigen Sattelzüge mit Doppelstock-Omnibusaufbauten des VEB IFA Kraftfahrzeugwerk Werdau (ehemals LOWA). Sieben dieser Sattelzüge wurden Ende der fünfziger Jahre gebaut und waren bis 1974 im Einsatz. Die Fotos stammen aus der Sammlung Sigurd Hilkenbach.
Tatsächlich gab es in Ost-Berlin auch einen Oberleitungs-Doppeldecker-Sattelzug (gibt es noch Steigerungen?) Beim VEB IFA Kraftfahrzeugwerk Werdau war das Konzept entstanden, gebaut wurde das Fahrzeug aber beim VEB Waggonwerk Ammendorf (vormals Gottfried Lindner AG). Die Fotos stammen aus den Sammlungen von Sigurd Hilkenbach (oben) und Martin Krüger (unten).

Neben den Doppeldeckern waren in beiden Teilen Berlins auch Eindecker bei den Verkehrsbetrieben im Einsatz, zumal einige Brückenunterführungen mit Doppeldeckerbussen nicht zu befahren waren. Die West-Berliner Doppeldecker trugen in den fünfziger Jahren allesamt die sogenannte Büssing-Spinne an der Front, also die verchromte Kühlermaske mit waagerechten Streben. Dahinter verbarg sich die wappenförmige Öffnung, durch die der Motor atmete. Aus jener Zeit stammen auch die meisten Fotos in diesem Beitrag. Danach wich die Büssing-Spinne anderen Frontgestaltungen bis hin zum schmucklosen Nichts, mit dem die Berliner Doppeldecker lange Zeit auskommen mussten.

Zum Schluss noch ein Bus ohne Oberdeck aus dem Berlin der 50er Jahre, denn es soll ja nicht der Eindruck entstehen, dass bei der BVG in Berlin nur Doppeldecker unterwegs waren. Das Foto stammt von Bill Godwin aus der Sammlung Michael Haeder.

Zur Darstellung und Illustration der gesamten Geschichte der Berliner Doppeldecker wäre ein mehrteiliger Artikel notwendig, den wir bei Interesse unserer Klientel zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlichen könnten.

Text: Steve St.Schmidt
Fotos: Archiv der Edition Diesel Queen

Weblinks zu diesem Beitrag:

https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-traditionsbusse-starten-in-die-saison-mit-dem-beigen-bussing-nach-britz-13362160.html?utm_source=flipboard&utm_content=topic%2Fde-berlin

https://www.traditionsbus.de/

https://www.berliner-linienchronik.de/fuhrpark-bus-doppeldecker.html