Die Terberg-Chronik

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Von Niels Jansen (Nordholland 2023)

In neuen Werkshallen

In vier neuen Fabrikationshallen, die man im Jahr zuvor fertiggestellt hatte, wurden 1971 fast 400 Lkw gebaut. Da in den Niederlanden zu Anfang der siebziger Jahre weniger Mittel für den Straßenbau zur Verfügung standen und die Inlands-Umsätze schrumpften, begann Terberg 1972 mit der Erschließung von Exportmärkten. Bald wurden die Fahrzeuge nicht nur nach Belgien und Deutschland verkauft, sondern auch nach Ghana, Ägypten, Dubai und Saudi-Arabien sowie in den Iran. Da die robusten Geländewagen aus Benschop immer beliebter wurden, beschloss die Familie, ein komplett neues Fahrerhaus einzuführen. Um 1973 wurde erneut ein Anbieter von Kabinen kontaktiert, diesmal in England. Die bekannte Firma Motor Panels erhielt den Auftrag, ein Modell mit Motorhaube zu entwerfen. Ein Prototyp wurde angefertigt, aber aus Gründen, die nicht mehr zu recherchieren sind, kam es nie zur Fertigung.

In den 1970er Jahren leiteten die Brüder Govert (links) und Ferdinand Terberg das Familienunternehmen.

Der Grund, aus dem Terberg einen anderen Fahrerhaus- und Komponenten-Lieferanten suchte, war vermutlich, dass Daimler-Benz mit Sorge die Konkurrenz des Spezialfahrzeug-Herstellers auf dem niederländischen Markt beobachtete. Möglicherweise verkauften die deutschen Lkw-Bauer nicht genug eigene 6x6-Lkw-Fahrgestelle und schränkten die Fahrerhaus-Lieferungen an Terberg ein. Außerdem wurden die Mercedes-Teile zu teuer. Deshalb schlossen die Niederländer 1974 einen Vertrag mit Volvo über die Lieferung von Fahrerhäusern der N-Serie mit Motorhaube und der F-Serie als Frontlenker. Da die Schweden kein eigenes Fahrgestell mit 4x4- oder 6x6-Antrieb besaßen, waren sie an einer Zusammenarbeit mit Terberg durchaus interessiert.

Im April 1976 wurde der Terberg SF 1350 mit Motorhaube und Fahrerhaus von Volvo auf dem "Salón del automóvil de Barcelona“ der Öffentlichkeit vorgestellt.
Terberg SF 1350 von 1981 mit Kippmulde von Hyva
In Barcelona 1977 fotografiert: fabrikneuer Terberg SF 1350 mit spanischem Überführungs-Kennzeichen
Auch Frontlenker-Fahrerhäuser bezog Terberg aus Schweden. Das Foto zeigt einen Terberg F 1350 mit Volvo F-88-Fahrerhaus, Baujahr 1979.

Kurze Zeit später kamen die neuen Terberg-Modelle SF 1350 und F 1350 auf den Markt, ausgestattet mit Volvo-Fahrerhaus und vielen schwedischen Komponenten. Auch Sechszylinder-Motoren mit 5,4- und 9,6 Litern Hubraum sowie gelegentlich auch Getriebe von Volvo kamen zur Anwendung. Die Achsen, das Fahrgestell und andere Teile kamen weiterhin aus der Produktion von Terberg. Die neuen Modelle kamen überall gut an. Die Vereinbarung schloss auch ein, dass Fahrzeuge von Terberg sowohl in den Niederlanden als auch im Ausland über das Volvo-Netz gewartet werden konnten.

Mercedes-Fahrerhäuser und -Motoren wurden indes nicht völlig aufgegeben. Zwischen 1974 und 1987 kamen sie weiterhin für Lastwagen infrage, die für bestimmte Exportmärkte bestimmt waren, sofern Mercedes dort weiter verbreitet war als Volvo. So wurden 1974 beispielsweise 23 schwere 6x6-Zugmaschinen des Typs SF 1200 mit Dolly-Anhängern nach Singapur verschifft. Sie waren für den Transport von Baumstämmen im Dschungel bestimmt. Und 1978 gingen hundert SF 1400 als 6x4-Wasser-Tankwagen in den Irak. Bei solchen Aufträgen fanden noch viele Mercedes-Komponenten Verwendung.


Telefonzellen und andere Spezialitäten

Im Jahr 1978 stellte der Spezialfahrzeug-Hersteller Terberg auf der RAI-Nutzfahrzeugmesse zwei Innovation vor, den Typ F 1850 sowie den F 1800, beide mit vier angetriebenen Achsen. Die neuen Modelle waren mit einer asymmetrischen Einmann-Kabine ausgestattet, die auch bei der 1973 von Terberg innovativ entwickelten Terminal-Zugmaschine Anwendung fand. Wegen der seltsamen Kabine bezeichneten die Fahrer den neuen Vierachser als "Telefonzelle". Die Fahrzeuge wurde von Sechszylinder-Volvo-Dieseln mit 270 PS angetrieben und waren für eine Nutzlast von 25 Tonnen bestimmt. Mit seinen riesigen Michelin-X-Sandreifen sahen die Kolosse recht beeindruckend aus. Mit der gleichen Kabine und den übergroßen Reifen baute Terberg auch 4x4- und 6x6-Versionen, die von der Firma Veenhuis in Raalte als Combitrac angeboten wurden. Diese Fahrzeuge überzeugten durch ihren engen Wenderadius und niedrigen Bodendruck und waren für landwirtschaftliche und kommunale Anwendungen konzipiert.

Der Terberg F 1800 von 1978 konnte 25 Tonnen Nutzlast transportieren. Sein asymmetrisches Einmann-Fahrerhaus brachte ihm den Spitznamen "Telefonzelle" ein. Die vier angetriebenen Achsen und die breiten Reifen machten den Koloss extrem geländegängig.
Ausgestattet mit 6x6-Antrieb und mächtigen Michelin-X Reifen konnte der Terberg SF 1300 von 1977 siebzehn Tonnen Nutzlast befördern.

Der SF 1300 mit der Antriebsformel 6x6 war für den Einsatz in schwierigem Gelände gedacht. Der Kipper mit Fahrerhaus auf Mercedes-Basis war mit den breiten Michelin-X-Reifen ausgestattet. Er konnte eine Ladung von 17 Tonnen über extremes Terrain transportieren. Der Plan, 1977 ein ähnliches Fahrgestell auf Basis von Volvo-Komponenten zu bauen, führte dagegen zu keinem befriedigenden Ergebnis und das kraftvoll wirkende 6x6-Modell F 1350 Sahara mit Volvo-F88-Fahrerhaus und Edbro-Hinterkippmulde kam nur als Vorführwagen zum Einsatz.

Der Terberg F 1350 Sahara blieb ein Unikat. Auch die breiten Michelin-X-Reifen konnten nicht an die Leistung seines Vorgängers, des Haubenwagens Terberg SF 1300 mit Mercedes-Fahrerhaus, heranreichen. 

Im Jahr 1979 wurde der F1900 mit vier angetriebenen Achsen eingeführt. Er basierte auf dem F 1800, war aber mit einem Volvo F7-Fahrerhaus ausgestattet. Aus ihm ging später der F 2000 mit F12-Fahrerhaus hervor.

Ein sehr beeindruckendes Spezialfahrzeug war ein 18 Meter langer 8x8-Treibrohrträger mit Tandemlenkung vorne und hinten, den Terberg 1981 für Snijder Earth Moving Equipment in Zaandam entworfen hatte. Fünf dieser 60-Tonner mit niedrigem Fahrerhaus wurden für den Einsatz in Algerien und Argentinien gebaut. Sie konnten problemlos 24 Meter lange Stahlrohre durch Wüste und Busch transportieren.

Der TS 60 von 1981 war für den Einsatz in Algerien und Argentinien vorgesehen. Fünf dieser 60-Tonnen-Lkw mit 8x8-Antrieb und Achtradlenkung wurden 1981 von Terberg gebaut.
26 dieser leistungsstarken Betonpumpen mit einem Gesamtgewicht von 47 Tonnen wurden bei Terberg auf dem Fahrgestell F 2950 (10x6) zwischen 1985 und 1992 gebaut.  Die meisten gingen an den amerikanischen Betonpumpenhersteller Schwing in Minnesota, für den die Fahrzeuge mit Cummins-Motoren ausgerüstet wurden. Einige wurden auch in andere Länder exportiert, unter anderem nach Russland, wo sie beim Bau des Beton-Sarkophags eingesetzt wurden, mit dem das Kernkraftwerk Tschernobyl nach dem Super-GAU von 1986 umhüllt wurde.

Eine weitere interessante Terberg-Errungenschaft der achtziger Jahre war die Entwicklung einer Serie von mehrachsigen Fahrgestellen für den Aufbau von 52 Meter langen Schwing-Betonpumpen in den USA. Man erzählt sich, dass Daimler-Benz es zunächst mit einem 6x6-Fahrgestell versucht hatte, das mit zwei zusätzlichen Achsen versehen war. Aber dieses Fahrgestell konnte die strengen kalifornischen Gesetze für Längen und Achslasten nicht erfüllen. Nach vielen Studien entwickelten die Terberg-Ingenieure ein speziell angefertigtes Fahrgestell für 47 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht, das drei lenkbare Vorderachsen und zwei weit auseinander liegende Achsen am Heck hatte. Diese 10x6-Fahrgestelle wurde von Cummins-Motoren angetrieben und waren zunächst mit Volvo-F7- und später -FL-Fahrerhäusern versehen. Nachdem drei Prototypen erfolgreich den Betrieb aufgenommen hatten, bauten die Niederländer vierzig weitere für die Amerikaner sowie einige für Kunden in anderen Ländern, darunter Russland.

Auch kleinere, aber nicht weniger robuste Frontlenker konnten von Terberg bezogen werden. Die beiden Fotos zeigen Beispiele mit modifizierten Volvo-Viererclub-Kabinen der Baureihe F7. Oben ein F 1150 von 1982, unten ein F 1150 CH von 1985, der für die Schweiz mit besonders schmalen Kotflügeln ausgestattet war, um die dort geltende Maximalbreite von 2,30 Meter einzuhalten.
Ab etwa 1987 bot Terberg den F 1150 mit modernisiertem Fahrerhaus auf Basis des Volvo FS 10 an, der eine Variante des FL 10 mit höher montiertem Fahrerhaus war. Abnehmer waren das niederländische Militär, aber auch Schweizer Betreiber, da der neue F 1150 auch in einer nur 2,30 m breiten Version erhältlich war.