Die Ginaf-Chronik
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Von Niels Jansen (Nordholland 2024)
Besondere Kreationen
In den ersten 25 Jahren produzierte GINAF hauptsächlich Kipper. Nur gelegentlich wurden auf Kundenwunsch auch andere Fahrzeuge gebaut. Später kamen immer mehr Spezialfahrzeuge für die Landwirtschaft, die Brandbekämpfung, den Containertransport, die Abfallentsorgung sowie für Kranarbeiten, Erdbohrungen und Drucksondierungen zur Baugrunderkundung (CPT) hinzu. Um das Jahr 2000 kam die Entwicklung und Produktion von Rallye-Trucks hinzu, mit denen vor allem Wulfert und Edwin van Ginkel einige Erfolge feiern konnten.
GINAF wurde weithin für seine innovativen und soliden Produkte gelobt, doch aufgrund der sinkenden Nachfrage nach maßgeschneiderten Fahrzeugen für die Bauindustrie ging das Unternehmen 2011 in Konkurs. Erst nach der Übernahme durch den chinesischen Mischkonzern und Lkw-Hersteller China Hi-Tech Group Corporation, kurz CHTC, konnte der Bau von Spezialfahrgestellen in begrenztem Umfang wieder aufgenommen werden. Im Jahr 2020 gelang es, GINAF durch ein Management-Buy-Out wieder aus der CHTC herauszulösen. Danach agierte der niederländische Lkw-Hersteller wieder als eigenständiges Unternehmen.
Das Programm von "GINAF Trucks Nederland BV", wie das Unternehmen jetzt heißt, umfasst eine Reihe von Baufahrzeugen mit drei, vier und fünf Achsen auf Basis des DAF CF Construction Chassis. Da es sich um umfangreiche Modifikationen handelt, werden sie unter eigenem Namen ausgeliefert. Gleiches gilt für die vollelektrischen mittelschweren Lkw auf Basis DAF CF und Mercedes Atego für den Entsorgungs- und Verteilerverkehr. Aber auch einige selbst entwickelte Fahrgestelle mit Frontantrieb werden für dieses Marktsegment produziert.
GINAF-Lkw sind auch mit modernen 12,9-Liter-Paccar-MX-Dieselmotoren der Euro-5- und Euro-6-Norm mit bis zu 510 PS in Kombination mit einem AS-Tronic-Dual-Mode-Automatikgetriebe erhältlich. Die Fahrzeuge können auch mit EVS-Lenkung und HVPS-Federung ausgestattet werden. Seit 2015 führen sie den Namen GINAF prominent über dem Kühlergrill.
Das Flaggschiff von GINAF im Jahr 2018 war der kolossale HD 5395 TS mit 10x6-Fahrgestell, der für den Tagebau in Exportländern entwickelt wurde. Dieses Ungetüm mit einem 610 PS starken QSX-15-Dieselmotor von Cummins und einem 12-Gang-AS-Tronic-Getriebe von ZF war für ein maximales Gesamtgewicht von sage und schreibe 95 Tonnen ausgelegt. Ein auffälliges Merkmal war das hoch auf dem Fahrgestell montierte türkische Ford-Cargo-Fahrerhaus. Damit war die Verbindung zwischen GINAF und Ford nach 80 Jahren wieder hergestellt. Es heißt aber auch, dass GINAF auf das türkische Fahrerhaus zurückgreifen musste, weil DAF nicht bereit war, sein neues Fahrerhaus zu liefern, da GINAF sich für Cummins-Motoren entschieden hatte. Das Problem war allerdings, dass DAF keinen Dieselmotor mit mehr als 530 PS liefern konnte, was für den 95 Tonnen schweren Bergbau-Lkw erforderlich war. Im Jahr 2021 wurde die Produktion des HD 5395 TS eingestellt. GINAF bot daraufhin für diesen Bereich das Fahrgestell X6 5278 S 10x4 mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 78 Tonnen an.
Besitzer im Wechsel
Im Juli 2022 wurde GINAF erneut verkauft. Das an der Frankfurter Wertpapierbörse notierte Hamburger Unternehmen Clean Logistics, das sich auf den Bau von wasserstoffbetriebenen Lkw spezialisiert hatte, übernahm alle Anteile des niederländischen Fahrzeugbauers für 1,8 Millionen Euro und ein Aktienpaket von Clean Logistics im Wert von 1,5 Millionen Euro. Abhängig von den Geschäftsergebnissen der nächsten vier Jahre sollte ein weiteres Aktienpaket im gleichen Wert hinzukommen. Doch die großen Pläne zerschlugen sich schnell. Das deutsche Start-up geriet in finanzielle Schwierigkeiten und entschloss sich nach nur einem halben Jahr zum "Notverkauf" der niederländischen Tochter. Im Februar 2023 meldete Clean Logistics Insolvenz an. Inzwischen hat GINAF neue Eigentümer aus Norddeutschland. Die Arakos Service GmbH aus Kabelhorst, deren Kerngeschäft die Personalberatung ist, steht nun auch hinter dem Bau schwerer Lkw aus den Niederlanden.
Bei GINAF werden längst wieder Fahrzeuge gebaut. Nachdem DAF 2021 eine neue Fahrzeuggeneration auf den Markt gebracht hat, ist auch Ginaf dieser Entwicklung gefolgt und bietet seit Oktober 2023 selbst Fahrzeuge im neuen Look an. Bereits im Frühjahr 2023 wurde eine Liste der verfügbaren Typen und der möglichen Antriebsformeln veröffentlicht. Bei den Fahrzeugen ohne Allradantrieb werden DAF-Fahrgestelle verwendet, bei den Fahrzeugen mit Allradantrieb kommen die Fahrgestelle und Vorderachsen von GINAF selbst, die Hinterachsen und Tandemachsen von Sisu und Meritor. Die Automatikgetriebe stammen von ZF und die Motoren von Paccar. Die DAF XFc-Fahrerhäuser mit modifizierter Frontpartie sowie speziellen Stoßfängern und Einstiegsstufen geben ein robustes und modernes Erscheinungsbild ab.
Quellennachweis:
Ton Spaansen, Nico van der Wel: GINAF – De gebroeders van Ginkel – Een familie van truckbouwers, speciale uitgave van Van Ginkel Trucks (VGT) Ederveen 2017
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