„Lastwagen aus Zwickau, Werdau und Ludwigsfelde”

Ein neues Buch von Günther Wappler mit enorm viel Inhalt

Auch unter den Nutzfahrzeug-Enthusiasten gibt es viele Bücherfreunde, sonst würden nicht immer wieder Neuerscheinungen zu diesem Thema herauskommen. Wir werden ab jetzt neue Bücher vorstellen, von denen wir denken, dass sie für unsere Zielgruppe interessant sind. Den Anfang macht das Buch „Lastwagen aus Zwickau, Werdau und Ludwigsfelde” von Günther Wappler, das im Verlag Podszun-Motorbücher erschienen ist. Das Buch mit 173 Seiten hat etwa das DIN-A4-Format und enthält 555 Abbildungen. Wer noch Lücken in seinem Wissen über die Lkw-Produktion der DDR hat, braucht ohne Zweifel dieses Buch.

Obwohl wir selbst bereits Hunderte Nutzfahrzeugbücher archiviert haben und uns in diesem Bereich gut auskennen, haben wir beim Blättern in Günther Wapplers neuem Buch nicht schlecht gestaunt. Die enorme Zahl an Illustrationen umfasst nicht nur unzählige alte und neuere Fotografien, sondern auch Reproduktionen von Prospekten, Typenblättern, Werksunterlagen sowie Plakaten und vielem mehr. Da der Autor selbst Modellsammler ist, hat er zu allen im Buch vorkommenden Fahrzeugen auch die entsprechenden Fotos von Modellautos hinzugefügt, sofern es welche gab. Alles in allem enthält dieses Buch eine Fülle von Informationen in Wort und Bild, wie man sie nur selten vorfindet. Ein Lob gebührt dabei auch dem Verlag Podszun, dessen Layout-Abteilung die Vielzahl unterschiedlicher Vorlagen und den Text in eine übersichtliche Form gegossen hat. Wir sind überzeugt: Wer sich für die Geschichte der ostdeutschen Nutzfahrzeuge interessiert, kommt mit diesem Werk voll auf seine Kosten (nämlich 39,90 Euro).

Vier Beispielseiten aus Günther Wapplers Buch über den Lkw-Bau in Ostdeutschland: Neben den aufwendig recherchierten Texten füllen unzählige Fotos von Fahrzeugen, Reproduktionen von Dokumenten und Werbematerial bis hin zu Abbildungen von Modellautos die 173 Seiten der Dokumentation über die Lastwagen aus Zwickau, Werdau und Ludwigsfelde.

Für diese Buchbesprechung hat uns Günther Wappler, Jahrgang 1950, mit allerlei Informationen ausgestattet. Zunächst hat er uns einiges über sich selbst erzählt: Er wuchs in Königswalde bei Werdau auf, lernte während seiner Ausbildung zum Agrotechniker die Landtechnik der 1960er und 70er Jahre kennen und leistete seinen Dienst in der Nationalen Volksarmee als Kraftfahrer ab. Als Busfahrer beim Städtischen Nahverkehr Zwickau lernte er fast alle Omnibus-Typen des ungarischen Herstellers Ikarus kennen. Anschließend war er als Kraftfahrer beim Zwickauer Stadtbaubetrieb tätig. Im Vorruhestand arbeitete er als Anlagenfahrer in einem chemischen Betrieb, also als Facharbeiter, der Produktionsanlagen bedient, überwacht und instand hält. Im Ruhestand konnte er sich endlich voll der Geschichte der Nutzfahrzeuge der DDR widmen, veröffentlichte einige Bücher zu diesem Thema und schrieb auch über das Sammeln von Modellautos.

Günther Wappler hat sein Leben mit Nutzfahrzeugen verbracht – im Beruf und im Rentenalter als Buchautor. Den Anfang machten dabei zwei Bücher in den Nullerjahren, in denen der Lkw-Bau in der DDR erstmals detailliert beschrieben wurde.

Das hier vorgestellte Buch „Lastwagen aus Zwickau, Werdau und Ludwigsfelde“ hat zwei Vorgänger zu ähnlichen Themen, die Günther Wappler vor rund 20 Jahren verfasst hat. Aufgrund vieler neuer Erkenntnisse, zahlloser neuer Unterlagen und Fotos hat er das Thema inzwischen weiter vertieft und unter Verwendung auch des bereits veröffentlichten Materials das vorliegende Buch fertiggestellt. Es bietet eine umfassende Übersicht über den Lkw-Bau in der DDR.

Günther Wappler hat eigens für diese Buchbesprechung eine Zusammenfassung über die Entstehung seiner Bücher verfasst und eine Reihe von Fotos hinzugefügt, um den Appetit auf sein neues Buch anzuregen. Wir wollen nicht versäumen, seinen Text hier wiederzugeben und eine Auswahl der Fotos zu veröffentlichen. Hier geht es los:

In Ostdeutschland gab es drei Standorte, an denen Lkw produziert wurden: Zwickau, Werdau und Ludwigsfelde. Im Jahr 1965 erfolgte eine komplette Umstrukturierung, in deren Folge nur noch das Automobilwerk in Ludwigsfelde Lastkraftwagen baute.

Die  Fabrikanlagen der Sächsischen Waggonfabrik von 1898 wurden in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg von der Firma Fahrzeugbau Schumann GmbH genutzt, die dort Lkw- und Omnibus-Aufbauten herstellte. Zu den Erzeugnissen des damals renommierten Werdauer Fahrzeugbau-Betriebs gehörte auch dieser Doppelstock-Sattelomnibus DOSA. Gezogen von einer Sattelzugmaschine auf Opel-Blitz-Basis ging das Fahrzeug 1938 an die Dresdner Verkehrsbetriebe.
In den Werdauer Fabrikhallen entstand ab 1934 unter dem Namen Fahrzeugbau Schumann GmbH eine große Anzahl von Lkw- und Omnibus-Aufbauten auf den Fahrgestellen aller Hersteller der damaligen Zeit. Schumann Werdau zählte zu den Branchenriesen der Vorkriegszeit.
Auch Karosserien für die damals in vielen Städten eingesetzten elektrischen Oberleitungsbusse wurden bei Schumann gebaut. Auf dem Foto sind O-Busse auf MAN-Fahrgestell im österreichischen Salzburg zu sehen. In der Zeit des Zweiten Weltkriegs mussten die Scheinwerfer mit Tarnkappen versehen werden. Durch einen schmalen Schlitz drang nur wenig Licht, um Fliegerangriffen kein Ziel zu bieten.
Ab 1948 gehörte das Werdauer Werk kurzzeitig zum Lokomotiv- und Waggonbau Wildau bei Berlin (LOWA). In dieser Zeit entstand 1951 in Werdau neben Straßenbahnen und Oberleitungsbussen ein weiteres interessantes Fahrzeug: eine Dampf-Zugmaschine. Das acht Tonnen schwere Fahrzeug hatte eine Leistung von 65 PS. Vermutlich erblickten nur zwei Exemplare das Licht der Welt. Nach Versuchsfahrten mit zwei Anhängern zeigte sich, dass das Projekt nur geringe Erfolgschancen hatte, und es wurde schon bald aufgegeben.
Prospekt für den H6 aus dem Jahr 1958
Der H6 wurde erfolgreich exportiert. Genau 2579 Einheiten gingen nach China und 300 nach Argentinien, wo dieses Exemplar in der Landwirtschaft eingesetzt war.
Werdauer Perspektive Mitte der 1950er Jahre: Auf dem Gelände der IFA-Werke abgestellte Neufahrzeuge vom Typ H6. Die Gebäude im Hintergrund existieren heute längst nicht mehr.
Es gab auch eine Version des H6 als Sattelzugmaschine mit der Typenbezeichnung Z6. Das abgebildete Exemplar wurde 1952 auf der Leipziger Messe gezeigt. Der doppelstöckige Auflieger für den Personentransport war eine Neuauflage des DOSA aus dem Jahr 1938.
Auf den ersten Blick ähneln sich die Modelle S 4000-1 und H6, da sie einige gleiche Karosserieteile aufweisen. Durch die Höhe der Scheinwerfergehäuse lassen sich die Fahrzeuge jedoch aus nahezu jedem Blickwinkel leicht unterscheiden. Auf dem Foto ist der Abstand zwischen dem oberen Scheinwerferrand und der Oberkante des Gehäuses beim größeren H6 deutlich zu erkennen, während dieser Abstand beim S 4000-1 fehlt.
Der Omnibus W 501 ging 1952 in Serie. Auf dem Foto ist er vor dem König-Albert-Museum (heute Städtische Kunstsammlung) in Zwickau zu sehen. Er hatte viele Komponenten des H 6, zum Beispiel den Sechszylindermotor mit 120 PS.
Auf der Rückseite eines Prospektblatts für den G5 von 1956 sind das Chassis und zwei Aufbauvarianten skizziert.
G5 der ersten Serie mit aufklappbarem Fahrerhausdach und Holzpritsche
Für die Nationale Volksarmee der DDR wurde der G5 mit einer Vielzahl unterschiedlicher Aufbauten produziert. Auf dem Foto sind fertiggestellte Fahrzeuge zu sehen, die noch mit Aufbauten versehen werden mussten.

Der Lkw-Bau in der DDR begann 1947 mit dem Typ H3 bei Horch in Zwickau. Dieser Lkw war ein Zusammenbau noch vorhandener Teile aus der Vorkriegszeit, darunter der Maybach-Motor. 1950 entstand in Zwickau mit dem H 3 A der erste in der DDR entwickelte Lkw. Er wurde bis 1959 zum S 4000-1 weiterentwickelt. Zugunsten der Pkw-Produktion verlagerte man dann die Lkw-Produktion in das benachbarte Werk in Werdau. Aber warum Werdau? Diese und andere Fragen erweckten meine Neugier, denn die gesamte Geschichte der ostdeutschen Lkw-Produktion war zunächst recht undurchsichtig. Dies lag nicht nur an verschiedenen Produktionsverlagerungen, sondern auch daran, dass man vieles nicht öffentlich gemacht hatte. So kam beispielsweise erst nach 1990 ans Licht, dass es neben den Serienfahrzeugen eine ganze Reihe von Versuchsfahrzeugen gab, die nach der Erprobung wieder in der Versenkung verschwanden. Starre Planwirtschaft und rückwärtsgewandtes Denken verhinderten im Lauf der Jahre viele technische Weiterentwicklungen. Um all das genau herauszufinden, musste ich in verschiedenen Archiven erst einmal gründlich recherchieren, um dann die Details zusammenzufügen und Zusammenhänge aufzudecken.

In der typischen Rhetorik der DDR-Propaganda wurde 1953 für den damals neuen Lkw vom Typ H 3 A geworben. Er wurde zunächst in den ehemaligen Horch-Werken in Zwickau gebaut und zum Typ S 4000-1 weiterentwickelt, bis man entschied, die Produktion nach Werdau zu verlegen.
Prospekt-Titelblatt des aus dem H 3 A hervorgegangenen Lkw-Typs S 4000-1, hier noch mit Winkern und Anhänger-Dreieck ausgestattet. Im Hintergund der Abbildung ist eine Flugplatz-Szene mit einem Flieger der Deutschen Lufthansa GmbH der DDR zu sehen. Diese Fluggesellschaft existierte von 1955 bis 1963, dann wurde sie unter dem Namen der bereits 1958 gegründeten Interflug weitergeführt.
Nachdem die Produktion des S 4000-1 nach Werdau verlegt worden war, entstand diese Aufnahme vor den alten Schumann-Hallen. Die Fahrzeuge erhielten 1962 Blinker, um einen Richtungswechsel anzuzeigen. Die altertümlichen Winker wurden damit obsolet. Das Anhängerdreieck hatte man bereits ein Jahr zuvor abgeschafft.

Unter dem Motto „100 Jahre industrieller Fahrzeugbau in Werdau“ fand 1998 ein großes Fahrzeugtreffen auf dem ehemaligen Betriebsgelände des Kraftfahrzeugwerks „Ernst Grube“ statt. Zu dieser Zeit gab es noch kaum Literatur über die Lkw aus Zwickau und Werdau, über den Fahrzeugbau in Ludwigsfelde existierte gar keine Dokumentation. Beim Fahrzeugtreffen herrschte also große Unklarheit darüber, wann und wo die Fahrzeuge gebaut wurden und in welchen Stückzahlen. Es musste also erst einmal eine Dokumentation über die Werdauer Fahrzeuge erstellt werden. Ich begann mit intensiven Recherchen in verschiedenen Archiven. Dazu muss ich anmerken, dass alle Unterlagen des ehemaligen Kraftfahrzeugwerks Werdau an das Verkehrsmuseum Dresden, das Staatsarchiv Chemnitz, das Kreisarchiv Werdau und das Dampf- und Stadtmuseum Werdau verteilt wurden. Diese Zersplitterung erschwerte die Suche nach Informationen erheblich.

Das erste Ergebnis meiner Recherchen war das im Jahr 2002 erschienene Buch „Geschichte des Zwickauer und Werdauer Nutzfahrzeugbaus“. Es beschrieb erstmals die gesamte Geschichte der Werdauer Lkw-Schmiede, die 1898 als Sächsische Waggonfabrik gegründet wurde. In den 1920er- und 30er-Jahren residierten dort die Schumann-Fahrzeugbau-Werke und ab 1952 schließlich das VEB IFA Kraftfahrzeugwerk „Ernst Grube“ Werdau. Durch den Bau von Lastwagen und Omnibussen erhielt das Werk große Bedeutung, denn es war der einzige Betrieb in der DDR, der Fahrzeuge mit mehr als drei Tonnen Nutzlast herstellte. Wichtig für den Güter- und Personentransport in Ostdeutschland waren der Lkw-Typ H6, der geländegängige Lkw G5 und der Bus H 6 B. Ab 1960 kam die Produktion des Haubenwagens S 4000-1 aus Zwickau hinzu. In dieser Zeit wurde in Werdau auch der Frontlenker W 50 bis zur Serienreife entwickelt. Nach der Einstellung der Lkw-Produktion im Jahr 1967 machte sich das Werk mit der Produktion von Anhängern und Sattelaufliegern einen Namen. Im Jahr 1990 endete schließlich auch diese Produktion und das Werk wurde in verschiedene Firmen aufgeteilt.

Bereits in den 1950er Jahren gab es in Werdau Weiterentwicklungen von Lkw, die jedoch nicht in die Serienproduktion übernommen wurden. Ein Beispiel ist der hier abgebildete AZ 57: Mehrere Fahrzeugvarianten waren geplant, doch der 1957 entwickelte Frontlenker mit Bauteilen des H 6 kam nicht über die Erprobungsphase hinaus. Heute ist es völlig unverständlich, warum die Entwicklung dieses äußerlich durchaus gelungenen Konzepts nicht weiterverfolgt wurde.
Ein weiterer in Werdau entwickelter Prototyp war der W 45 aus dem Jahr 1962, der ursprünglich als Haubenwagen konzipiert war. Kurz darauf entschied man sich jedoch für einen Frontlenker mit derselben Typenbezeichnung. In Serie produziert wurde keiner der beiden.
Bei seiner Erprobung als Allrad-Kipper ähnelte der W 50 schon weitgehend der Serienausführung. Der schicke Kühlergrill mit Werdau-Emblem und Rahmen (vermutlich aus Aluminium) fiel bei der Massenfertigung dem Rotstift zum Opfer, sicherlich aus Kostengründen.
Nachdem die Produktion von Motorfahrzeugen in Werdau eingestellt worden war, musste das Werk Anhänger und Sattelauflieger produzieren. Auf dem Foto sind zur Auslieferung bereite Anhänger des Typs HW 80 mit automatischer Bordwandöffnung zu sehen.
Der Aufruf zum Meeting in Halle 142 der Ludwigsfelder Automobilwerke anlässlich des Produktionsbeginns des W 50 im Juli 1965 zeigt links die Entwicklung der Ludwigsfelder Motorroller-Produktion der vergangenen Jahre von 1955 bis 1964.

Der in Werdau bis zur Serienreife entwickelte Lkw vom Typ W 50 sollte jedoch nicht dort gebaut werden. Es wurde entschieden: Die Produktion des W 50 erfolgt in Ludwigsfelde. Wie kam es dazu? Auch hierzu gab es zunächst keine Dokumentation. Nach Recherchen in den örtlichen Archiven in Ludwigsfelde und bei einigen Privatpersonen erschien 2003 mein Buch „Der gebremste Lastkraftwagen – Die Lkw W 50 und L 60 aus Ludwigsfelde“. Darin beschrieb ich erstmals ausführlich den Lastwagenbau in Ludwigsfelde und die kuriose Entstehung des Nachfolgemodells L 60. Auch bei der Entwicklung dieses neuen Fahrzeugs, das dem internationalen Standard entsprechen sollte, gab es Rückschläge: Es entstanden viele Prototypen, die alle wieder verworfen wurden. Schließlich begann 1987 die Produktion des Nachfolgemodells L 60. Doch auch mit dieser Produktion war nach drei Jahren Schluss, denn 1990 endete die gesamte Lkw-Produktion der DDR.

In den 1970er Jahren wurden vor dem Kraftfahrzeugwerk „Ernst Grube” in Werdau verschiedene Sattelzüge und Anhänger aus DDR-Produktion präsentiert. Die Sattelzugmaschinen des Typs W 50 stammten aus Ludwigsfelde.
Auch das optisch eigenwillige Funktionsmuster F 300 mit 200-PS-Motor blieb in den 1970er-Jahren ein Prototyp.
Bereits beim Serienanlauf des W 50 im Jahr 1965 entstand in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung in Ludwigsfelde ein Prototyp der Folgegeneration mit der Bezeichnung 515. Das Foto wurde im Jahr 2000 aufgenommen, als das Fahrzeug schon lange „auf dem Abstellgleis” gestanden hatte.
1988 ging der L 60 als 4x2-Pritschenwagen in Serie, als Kofferfahrzeug erst ein Jahr später.
Auf Basis des L 60 war auch ein Busfahrgestell geplant, das jedoch nie umgesetzt wurde.

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