U-Boot auf Achse
Ein Schwertransport der Superlative
30 Achsen, 240 Räder, fast 500 Tonnen Gesamtgewicht, fast 100 Meter Zuglänge mit bis zu vier Zugmaschinen und eine Gesamtzugleistung von gut 2500 PS - das sind rekordverdächtige, zumindest aber beeindruckende Eckdaten eines U-Boot-Schwertransportes, der mehr als ein Jahr lang quer durch Deutschland und zuletzt mehrere Wochen durch die Region Heilbronn unterwegs war. Andreas Fehsenmeier und sein Sohn Linus haben das Umladen des U-Boots vom Neckar auf die Straße in Haßmersheim und den Weitertransport von dort aus verfolgt und fotografiert. Sie berichten für uns über das Ereignis.
Auf die Reise ging das fast 50 Meter lange, 4,6 Meter breite und je nach Ladeposition bis zu neun Meter hohe Unterseeboot U17. Anlass für diesen außergewöhnlichen Transport war die Überführung des U-Bootes nach seiner Außerdienststellung in das Sinsheimer Technik Museum. Zusammen mit seiner Dependance in Speyer ist das Museum nicht nur für seine umfangreiche Oldtimer- und Techniksammlung bekannt, sondern auch für ungewöhnliche Großexponate wie Flugzeuge (Concorde, Tupolew Tu-144, Boing 747), Raumfähren (Buran und Nachbau des ISS-Moduls SWESDA) und Dampflokomotiven sowie das U-Boot U-9.
Ein U-Boot-Transport über eine so große Entfernung ist ein außergewöhnliches Unterfangen und scheint nur ein historisches Vorbild zu haben: Eine Google-Suche findet einen vergleichbaren Transport, der während des Zweiten Weltkrieges stattfand. Damals ging es um die Verlegung der so genannten U-Flottille von der Nordsee zum Schwarzmeerhafen Constanta in Rumänien, mit erstaunlichen Parallelen. Hier der Link zum Eintrag in Wikipedia.
Am 29. März 2023 startete der Transport des U-Boots U17 im Kieler Marinehafen. Auf einem großen hochseetauglichen Ponton ging es im Schubverband durch den Nord-Ostsee-Kanal und entlang der Küste nach Rotterdam und dann den Rhein hinauf nach Speyer. Dort wurde das U-Boot über mehrere Monate an Land für den Weitertransport vorbereitet (Ausbau der Batterien und Tauchgewichte, Einbau einer speziellen Drehvorrichtung zum Unterfahren von Brücken und Hindernissen) und anschließend wieder im Schubverband über den Neckar nach Haßmersheim bei Heilbronn überführt. Haßmersheim war bis ins letzte Jahrhundert das größte Binnenschifferdorf Süddeutschlands. Nur dort konnte die Anlandung und Umladung auf einen großen Scheuerle InterCombi Plattformwagen erfolgen, da der Ort über eine große ehemalige Fährstelle verfügt, die das spektakuläre Manöver erst möglich machte. Von dort aus ging es auf Umwegen durch die Region, denn viele Hindernisse wie Brücken, Autobahnen und enge Ortsdurchfahrten mussten umfahren werden, um zum Ziel, dem Technikmuseum Sinsheim, zu gelangen. Dort kam das U-Boot schließlich am 28. Juli 2024 an.
Der gut vierwöchige Regionaltransport von Speyer nach Sinsheim glich einem riesigen Volksfest. Jeder Streckenabschnitt wurde von Hunderten, ja Tausenden von Zuschauern gesäumt. Nahezu jeder Ort, durch den der Konvoi fuhr, hatte ein begleitendes, zum Teil mehrtägiges Straßenfest mit Musik, Moderation, Essens- und Getränkeständen organisiert. Die Begeisterung und Kreativität schienen keine Grenzen zu kennen, wenn zum Beispiel in Heidelberg das U-Boot Teil einer spektakulären Lichtprojektionsshow wurde oder in fast jedem Ort Begleitlieder wie „Yellow Submarine“ von den Beatles, „Fat bottomed girls“ von Queen und natürlich der legendäre Soundtrack von Klaus Doldinger zum Film „Das Boot“ erklangen oder sogar eigens komponierte Titel die Stimmung anheizten und spezielle U-Boot-Cocktails, -Burger oder -Würstchen verkauft wurden.
Die Anlandung und Entladung des riesigen U-Boots erfolgte dann am Wochenende des 13. und 14. Juli, nachdem man es bereits am Dienstag zuvor im Rahmen eines Einlauffestes in Haßmersheim mit mehreren Böllerschüssen gebührend empfangen hatte.
Da der Ponton mit dem U-Boot für die Anlandung quer zum Neckarufer gedreht werden musste, konnte der Roll-Off erst am Samstag in den frühen Morgenstunden um vier Uhr beginnen, da die Wasserstraße während der gesamten Anlandung für den Schiffsverkehr komplett gesperrt werden musste. Dabei gab es zwei Herausforderungen: Der Ponton musste quer zur Strömung im fließenden Neckar positioniert werden und dazu während des gesamten Roll-Offs absolut waagerecht bleiben.
Durch ständiges Ballastieren des Pontons bei gleichzeitigem Nivellieren des darunter fahrenden Tiefladers wurde diese Aufgabe gemeistert. Diese Vorgehensweise war notwendig, da das U-Boot für einen Autokran zu schwer war und der Umschlag daher nur durch Aufbocken und Unterfahren auf dem Ponton erfolgen konnte. Kein Wunder, dass der gesamte Vorgang mehrere Stunden in Anspruch nahm und erst morgens gegen halb neun mit der Aufstellung des gesamten Schwertransports mitten auf der engen Dorf- und einzigen Durchgangsstraße endete. Nun konnte jeder das riesige U-Boot aus nächster Nähe bestaunen und sogar anfassen.
Nach dem anstrengenden Verladejob war dann für die Crew des Technik-Museums und der Spedition Kübler erstmal eine wohlverdiente Pause bis Sonntagvormittag angesetzt und für die Haßmersheimer Bevölkerung der Höhepunkt der U-Boot-Festwoche angesagt. Im Neckarvorland und in den Gassen rings um das geparkte U-Boot war vielfältige mobile Gastronomie aufgebaut, Bands spielten und bei bestem Wetter wurde bis spät in die Nacht um das U-Boot herum gefeiert.
Am Sonntagmorgen ging es bei Kaiserwetter pünktlich um zehn Uhr weiter. Fast ganz Haßmersheim und hunderte auswärtige Besucher säumten die Straße, als sich der fast 100 Meter lange Lindwurm wieder in Bewegung setzte und im Schritttempo, abgesichert durch „lebende Absperrbaken“, durch den Ort zog.
Gleich am Ortsausgang war die erste große Hürde zu nehmen, ein neu gebauter Kreisverkehr mit einem Hügel in der Mitte. Letztlich aber kein Problem, da das U-Boot hier mit reichlich verlegten Stahlplatten zur Fahrbahnverbreiterung und Stabilisierung den Kreisel zunächst über die nächste Ausfahrt verließ und nach dem Umspannen der Zugmaschinen rückwärts wieder in den Kreisel einfuhr. Nach einem weiteren 90-Grad-Schwenk nach rechts ließ der Schwertransport das Hindernis schließlich hinter sich. Es war ein beeindruckendes Schauspiel, mit welcher Dynamik und Präzision die Stahlplatten vor jeder Drehung auf- und abgebaut wurden, die Zugmaschinen ab- und angekoppelt wurden und synchron, fast ballettartig, ihre Positionen wechselten. Und das alles inmitten von Zuschauermassen, die trotz Absperrungen oft ganz nah am Geschehen standen.
Dann war der Weg frei in Richtung Neckarmühlbach, dem nächsten Ort am Neckar. Von dort schwenkte der Transport dann landeinwärts, steil das Fünfmühlental hinauf in den Kraichgau, zumindest schon einmal in die ungefähre Richtung des Technik Museums Sinsheim, wo das U-Boot wegen der vielen notwendigen Umwege aber erst gut zwei Wochen später eintreffen sollte. Bevor die erwähnte Strecke mit teilweise mehr als 17 Prozent Steigung in Angriff genommen werden konnte, sollte aber noch ein Tag vergehen, denn zuvor musste auf eigentlich freier Strecke noch das Zementförderband bei Neckarmühlbach unterquert werden, wo sich die Schiffsverladestation eines Zementwerkes befindet. Dazu musste das U-Boot mithilfe der speziellen Drehvorrichtung um 70 Grad auf die Seite gedreht werden (siehe Detailaufnahmen weiter oben). Deshalb wurde am Sonntag in der Nähe des Förderbandes bis zum nächsten Morgen wieder eine Pause eingelegt.
Für Andreas und Linus Fehsenmeier war die Begleitung des U-Boot-Transports nun vorbei, denn das Wochenende neigte sich dem Ende zu und Schule und Beruf hatten natürlich Vorrang. Wer den Verlauf der Reise weiter verfolgen möchte, hat dazu die Möglichkeit auf der eigens für diesen Anlass eingerichteten und sehr informativen U17-Webseite des Auto Technik Museums.
Außerdem gibt es etliche interessante Videos auf YouTube, die den Transport dokumentieren, Stichworteingabe „U17 Transport“ genügt.