Die Ackermann-Story, Teil 2
Möbelwagen mit Flügeln
Aufbauten für Lastwagen sowie Anhänger und Sattelauflieger sind im Transportgewerbe unerlässlich. Für ihre Bereitstellung sind Fahrzeugbau-Unternehmen zuständig, die dafür sorgen, dass Nutzfahrzeuge ihren Einsatzzwecken entsprechen. Denn die Lkw-Hersteller liefern zumeist nur Fahrgestelle mit Fahrerhäusern.
In diesem Beitrag geht es um den Aufbau-Hersteller Ackermann. Unser freier Mitarbeiter Markus Hügle hat für uns die Geschichte des Wuppertaler Unternehmens recherchiert und ausführlich beschrieben, was die Firma in den fast 150 Jahren ihres Bestehens zu bieten hatte. Teil 1 befasst sich mit den Anfängen bis in die Nachkriegszeit, die Teile 2 und 3 beschreiben die Zeit bis zu den 1970er Jahren und Teil 4 die letzte Ackermann-Epoche bis zum bitteren Ende im Jahr 1996.
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren noch immer Haubenwagen üblich. Magirus bot seinen mittelschweren Typ S 3500 zunächst noch mit eckiger Haube an und ab 1951 mit eleganter Rundhaube, Mercedes-Benz stellte 1950 den völlig neuen L 3500 vor und MAN hatte die MK-Reihe im Angebot, während Henschel 1951 sein Erfolgsmodell HS 100 präsentierte. Die Fahrgestelle vor allem dieser Lastwagen dienten als Basis für Möbelwagen-Aufbauten, wobei gerne auch Omnibus-Chassis Verwendung fanden, die sich wegen ihrer niedrigen Ladekante besonders gut eigneten. Vor allem Mercedes-Benz und Magirus lieferten auf Kundenwunsch Ihre Omnibusfahrgestelle mit der Bezeichnung O 3500 an Ackermann.
Ackermann-Chef Kölker wusste, dass ein prägnanter Markenname, effektive Werbung und ein guter Ruf sichtbare Verkaufserfolge bringen konnten. So ließ er fast alle Neufahrzeuge vor der Auslieferung professionell fotografieren und Prospekte drucken, in denen er selbstbewusst die Vorzüge seiner Produkte anpries. Außerdem baute er nach und nach erfolgreich ein gut funktionierendes Vertriebs- und Servicenetz auf, um nah am Kunden zu sein. Ackermann war zu dieser Zeit in Deutschland bereits Marktführer bei Möbelwagenaufbauten. Die Hauptkonkurrenten waren Staufen in Eislingen, Kässbohrer in Ulm, Buschbaum in Hannover-Langenhagen und in unmittelbarer Nachbarschaft die Firma Eylert in Wuppertal-Sonnborn.
Dass die Motorhaube der Lkw die Ladelänge verringerte, war ein Problem, das allen deutschen Spediteuren bewusst war. Die Lösung kam sozusagen von oben. Denn die „Seebohmschen Gesetze“ von 1958, benannt nach dem damaligen Verkehrsminister Hans-Christoph Seebohm, sahen für die Bundesrepublik Deutschland drastische Längen- und Gewichtsbegrenzungen vor, um der Deutschen Bundesbahn, also dem Schienenverkehr, Vorteile gegenüber dem Straßengüterverkehr zu verschaffen. Der gewünschte Erfolg blieb aus, aber die Maßnahme förderte die Entwicklung des Frontlenkers. Der vorne über der Achse angebrachte Motor schränkte zwar den Platz im Fahrerhaus ein, aber die Ladelänge nahm deutlich zu.
Als einziger deutscher Lkw-Hersteller setzte Büssing auf den Unterflurmotor. Zwischen den Achsen untergebracht, verbannte er Lärm und Dieselgeruch aus dem Fahrerhaus. Büssing lieferte auch Unterflur- und Busfahrgestelle für Möbelaufbauten. Bei allen anderen Herstellern mussten die Fahrgestelle der Haubenwagen auf Frontlenker umgerüstet werden. Dies übernahm beispielsweise der Spezialist Clerck. Erst ab Mitte der 50er Jahre war bei Mercedes-Benz ein eigenes Frontlenker-Fahrgestell verfügbar, MAN und Magirus folgten kurze Zeit später. Zu dieser Zeit hatte Ackermann bereits ein formschönes Design für seine Frontlenker-Möbelwagen entwickelt. Das integrierte Fahrerhaus und der Kastenaufbau bildeten dabei eine harmonische Einheit. Unter der vorderen Dachkuppel war Platz für Packmaterial und optional gab es eine zweite Sitzreihe für das Umzugspersonal, erkennbar am zusätzlichen Seitenfenster. Auch mitfahrende umziehende Kundschaft konnte hier Platz nehmen, denn ein eigenes Auto besaß damals noch längst nicht jeder.
Die Gestaltung der Frontbleche war zunächst nicht bei jedem Fahrzeug gleich. Die von Hand gedengelten Blechteile variierten von Fahrzeug zu Fahrzeug. Die Unterschiede bestanden in der Anordnung von Scheinwerfern und Zierleisten sowie den Emblemen der jeweiligen Fahrgestell-Hersteller. Auch die Form der Windschutzscheiben war nicht einheitlich, je nach Lieferant der Scheiben gab es Unterschiede. 1957 ging man bei Ackermann jedoch auf eine einheitliche Gestaltung bei allen Frontlenker-Möbelwagen über und verwendete Frontbleche aus Großserienfertigung, die mit Presswerkzeugen hergestellt wurden und aus drei Teilen bestanden. Das Mittelteil konnte an die jeweilige Fahrzeugbreite angepasst werden. Die Teile an den Fahrzeugecken waren seitlich variabel, um unterschiedlichen Überhang-Längen gerecht zu werden. Außerdem mussten die Öffnungen für die Scheinwerfer individuell ausgeschnitten werden. Die Frontscheiben hatten nun immer die gleiche Form, denn auch sie stammten aus Serienfertigung. Die neuen Frontlenker erhielten die interne Bezeichnung „Typ Amerika“, wurden aber auch als Pullman-Möbelwagen bekannt.
Typisch für Ackermann-Kasten- und Kofferwagen sowie Anhänger waren die stilisierten, aus Zierleisten gefertigten Flügel oben an den Aufbauseiten. An der Stirn trugen die Lastwagen ein lackiertes „A“ mit Flügeln, sofern der Kunde nicht auf einer eigenen Beschriftung bestand. Der Kenner konnte Ackermann-Möbelwagen also sofort erkennen. Zusätzlich war der Name noch seitlich an der Unterkante auf einem kleinen Prägeschild angebracht. In dieser Form wurden die Kastenwagen fast zehn Jahre lang gebaut und Ackermann erreichte damit einen Marktanteil von rund 70 Prozent. Kleine Änderungen gab es noch bei den Trittstufen, die ab etwa 1960 statt der bis dahin üblichen Trittbügel massiv ausgeführt waren.
Neben den großen „Pullmännern“, wie sie oft genannt wurden, gab es auch noch Kofferaufbauten in Leichtmetallbauweise auf mittelschweren und leichten Fahrgestellen. Auch diese waren im gleichen Stil mit den „Ackermann-Flügeln“ und dem seitlichen Prägeschild versehen. Bereits in den 50er Jahren konnte Ackermann die Nachfrage nicht mehr befriedigen, so dass Lizenzen an einige kleinere Aufbauhersteller in ganz Deutschland vergeben wurden. Zum Beispiel in Berlin übernahm die Firma Wingert diese Aufgabe. Vor allem Leichtmetall-Kofferaufbauten auf kleineren Nutzfahrzeugen wie dem Hanomag L 28, dem Opel Blitz oder bis 1961 auch auf Borgward- und Ford-Fahrgestellen entstanden in diesen Betrieben, die zumeist Kunden in der jeweiligen Region belieferten. 1955 trat auch Mercedes-Benz mit dem überaus erfolgreichen Typ L 319 in dieses Marktsegment ein. Lastkraftwagen in der Gewichtsklasse von eineinhalb bis drei Tonnen dienten vor allem der Auslieferung von Neumöbeln der damals zahlreichen familiengeführten Einrichtungshäuser an die Endkunden sowie dem Transport von Lebensmitteln. In Österreich begann die Firma Schneider & Blaha, später Brentenwerke, ab 1957 Leichtmetallaufbauten nach Ackermann-Vorgaben in Lizenz zu bauen und entwickelte sich zu einem erfolgreichen Anbieter.
Ab Mitte der 1960er Jahre setzten sich im Fahrzeugbau allgemein kantige Formen durch. Die Möbelwagen mit rundlicher Front wirkten allmählich veraltet. Deshalb präsentierte Ackermann 1966 ein „neues Gesicht“ mit vertikaler Front und großen Scheiben ohne Mittelsteg. Auch der Bereich über der Frontscheibe war nun nahezu senkrecht und die Wagen boten dadurch noch mehr Stauraum über dem Fahrerhaus. Mit der neuen Ackermann-eigenen Front kamen Aufbauten auf Büssing FSA-Chassis (Fahrgestelle für Sonderaufbauten) zur Auslieferung, in deutlich geringerem Umfang auch auf MAN-Fahrgestellen.
Der weitaus größte Teil derPullmann-Wagen zweiter Generation wurde auf Mercedes-Benz-Chassis vor allem des Typs LP 1113 aufgebaut, wobei fast alle Käufer die werkseitige Front von Mercedes-Benz bevorzugten, die optisch dem bereits 1963 vorgestellten kubischen LP 1620 entsprach. In dieser kantigen Bauform gab es die großen Kastenwagen von Ackermann noch bis etwa Mitte der 1970er Jahre. Ab Ende der 1960er Jahre erfolgte die Vermarktung unter dem Namen „möForm“ als Teil eines Gesamtkonzepts, das man in Zusammenarbeit mit der Deutschen Möbeltransport GmbH (DMG) entwickelt hatte. Es umfasste neben den Fahrzeugen auch Packmaterial, Arbeitskleidung und Schulung des Personals. Hervorgehoben wurden die enge Zusammenarbeit mit Daimler-Benz und die geringen Unterhaltskosten durch Standardbauweise und Normteile. Die großen Kasten- und Kofferfahrzeuge erhielten die Bezeichnung „Maxi“, die kleineren Kofferfahrzeuge auf MB-LP-608/808-Fahrgestell nannten sich „City“ (vor allem für den innerstädtischen Verkehr) und die kleinen Transporter auf MB-L-406/508-Basis „Mini“. Sie dienten vor allem der Auslieferung von Neumöbeln an Privatkunden.
Zunehmender Kostendruck im Transportgewerbe sowie das Aufkommen von Wechselaufbauten machten die „Pullmänner“ unattraktiv, denn im Vergleich zu Kofferwagen mit werkseitigen Fahrerhäusern waren sie deutlich teurer. Zudem setzte sich Anfang der 70er Jahre im Lkw-Bau das wartungsfreundliche Kippfahrerhaus durch, für das die integrierte Bauweise von Fahrerhaus und Laderaum beim Kastenwagen ungeeignet war. Lediglich die Firma Warneke in Laatzen bei Hannover entwickelte 1977 auf dem damals neuen Mercedes-Benz NG einen Pullman-Möbelwagen mit Kippkabine und hielt dafür auch ein Patent. Bis zur Einstellung der Warneke-Produktion im Jahre 1997 wurden diese Fahrzeuge in geringer Stückzahl gebaut, waren aber im Bereich der Möbelwagen eher Exoten.
Neben den Möbelwagen waren Kühlwagen ein wichtiger Produktionsbereich bei Ackermann. Für Lebensmittel wie Brot, Milch und Käse, die meist nur über kurze Strecken transportiert wurden, genügten kleine Kofferaufbauten, natürlich auch aus Aluminiumlegierungen. Auch hier waren neben den leichten Lastkraftwagen von Hanomag, Opel und Borgward, dem Mercedes-Benz L 3500/311 und dem S 3500/4500 von Magirus später in der mittleren Gewichtsklasse die Kurzhauber von Mercedes-Benz und MAN weit verbreitet. Für den Fernverkehr, insbesondere für Fleischtransporte, reichten die einfachen Bordwände zur Frischhaltung der verderblichen Ware nicht aus. Zunächst behalf man sich mit zusätzlicher Isolierung und Trockeneisstäben, ab Ende der 50er Jahre waren separate Kühlaggregate die Lösung. Sie wurden stirnseitig am Aufbau, später auch unterflur am Fahrgestell angebracht und mit eigenem Antrieb für eine konstante Kühlung ausgestattet. Die Anforderungen hierfür wurden eng mit der „Transfrigoroute“, dem Verband der Kühlspediteure, abgestimmt. Karl Kölker war maßgeblich an der Entwicklung der entsprechenden Kühltechnik beteiligt und Ackermann etablierte sich in den 1960er Jahren neben einigen anderen Aufbauherstellern auch in diesem Marktsegment außerordentlich erfolgreich, bedingt auch durch die stetig steigende Nachfrage, die auf dem zunehmenden grenzüberschreitenden Verkehr in Europa beruhte.