Nutzfahrzeuge als Werbeobjekte
Napfkuchen auf Rädern und rollende Kaffeekannen
01. März 2023
Heute sind sie extrem selten geworden, in früherer Zeit bereicherten sie das Straßenbild: Fahrzeuge, die einzig und allein der Werbung dienten. Etwa mit Aufbau in Form eines Kinderwagens, als rollendes Schaufenster und als fahrende Flaschen unterschiedlichen Inhalts waren die Reklamewagen unterwegs. Zumeist basierten sie auf Lkw- oder Bus-Chassis, aber es gab auch kleinere Varianten auf Personenwagen-Fahrgestellen. Ihre Zeit ist längst abgelaufen, denn andere Werbeträger wie Fernsehen und Internet haben inzwischen eine wesentlich größere Reichweite.
Ein schönes wie auch besonders kurioses Beispiel für gelungene Reklamewagen stellt der oben abgebildete überdimensionale "Kinderwagen mit Triebkopf" dar. Er basierte auf einem Tempo Matador von 1952, der serienmäßig mit einem VW-Motor ausgerüstet war. Der Kinderwagen-Händler Maas in Hannover war Auftraggeber für das Fahrzeug. Die Identität des Karosseriebauers, der mit dem einzigartigen Fahrzeug beauftragt wurde, ist leider nicht überliefert.
Es war nicht ganz einfach, eine Sammlung von Fotos alter Werbefahrzeuge anzulegen, denn obwohl in früheren Jahren nicht wenige solcher Vehikel unterwegs waren, wurden sie selten dokumentiert. Die Abbildungen in diesem Beitrag stammen von alten Postkarten, Privatfotos und wenigen Werkfotos. Auch Flohmarkt-Funde und Abbildungen aus Zeitschriften sind darunter. Nicht immer ist die Qualität der Fotos optimal, aber die Kuriosität rechtfertigt die Veröffentlichung dennoch.
Zu den Abbildungen gibt es Bildunterschriften, denen zwar manche Details zu entnehmen sind, aber einige Fotos müssen weitgehend ohne Hintergrund-Informationen auskommen, da sie einfach nicht vorhanden sind. Wir von der On-the-Road-Redaktion hatten unseren Spaß bei der Zusammenstellung dieses Beitrags und hoffen, dass es den Betrachtern genau so geht …
Diese Postkarten-Abbildung belegt, dass es auch schon vor dem Automobil-Boom rollende Werbeträger gab, wenn auch mit relativ geringer Pferdekraft. Die Windmühle auf dem Pferdewagen warb für die Heinersdorfer Brotfabrik in Berlin. Die Parfümerie Mouson & Cie in Frankfurt am Main warb schon 1907 mit einem stylischen Sonderfahrzeug für sich. Ala Basis diente ein Opel-Lieferwagenfahrgestell. Koffer und Lederwaren von Moritz Mädler gibt es seit 1850. Zunächst in Leipzig ansässig, hat das Unternehmen heute in Offenbach am Main seinen Hauptsitz. Schon etwa 1910, in den Anfangsjahren des Nutzfahrzeugbaus nutzte die Firma Mädler die Möglichkeit, mit einem besonderen Lkw-Aufbau Aufmerksamkeit zu erregen. Die Kellerei Henkell & Co aus Mainz ließ im Jahr 1907 diese fahrende Sektflasche am Straßenverkehr teilnehmen. Aufmerksamkeit wird das Fahrzeug garantiert erregt haben. Basisfahrzeug war ein Opel 14/20 PS. Insbesondere "für Sportsleute, Sänger und Raucher" eigneten sich Wybert-Pastillen, die in den dreißiger Jahren auch als "durstlöschend und erfrischend" angepriesen wurden. Ob die große Dose voller Bonbons aus geraspeltem Süßholz war, ist nicht überliefert. Fest steht, dass Wybert-Pastillen auch heute noch gegen Husten, Heiserkeit und Halsschmerzen wirken. Auf einem Werbeblatt von 1937 wurden einige Einzelstücke gezeigt, die die Firma Dittmann-Fahrzeugbau auf die Räder gestellt hatte. Ausgefallene Werbefahrzeuge galten als Spezialgebiet des Berliner Unternehmens. Der Mitte der dreißiger Jahre von Dittmann in Berlin hergestellte Aufbau in Form einer Kaffeekanne warb für die Firma Kathreiner-Kaffee (München 1829-1997). Ihr bekanntestes Produkt war Malzkaffee. Das Fahrzeug ist auch darüber auf dem Werbeblatt der Firma Dittmann zu sehen. Der Werbewagen der Firma Dralle basierte auf einem Anderthalbtonner von Büssing, Typ Burglöwe 15, Baujahr 1935. Der Aufbau entsprach seiner Form nach einer Reihe von Packungen von Dr. Dralles Birken-Haarwasser, das seit 1889 in Hamburg-Altona produziert wurde. 1991 wurde die 1852 gegründete Firma an L'Oréal verkauft. Dieses Werbefahrzeug mit riesigen Füllfederhaltern glich beinahe einem Raketenwerfer. Auf einen Chevrolet von 1929 montiert, machte es Werbung für die englische Firma Mentmore Manufacturing Co. Ltd. in London. Die Abbildung entstammt einer Fachzeitschrift für Karosseriebau unbekannten Datums. Wir schätzen die Entstehung auf etwa 1930. Auftraggeber waren die Gummiwerke Fulda. Für Entwurf und Herstellung des Werbefahrzeugs für Reifen war die Karosseriefabrik F. Leibold zuständig, ebenfalls aus Fulda. Betreiber dieses Werbewagens war der "Reichs-Seefisch-Ausschuss". Die Prämisse war "Esst Fisch, dann bleibt ihr gesund und frisch!" Dem Anfang der dreißiger Jahre in Deutschland weit verbreiteten Eiweißmangel sollte entgegengewirkt werden. Von Luchterhand & Freytag karossiert und als Seefisch-Koch-Lehrküche eingerichtet, fuhr der Krupp L3M42 von Ort zu Ort. Foto: Landesbildstelle Berlin Horstmann & Sander ist heute ein Geschäft für hochwertige Lederwaren, Koffer, Accessoires und Schuhe in Hannover. Um 1937 machte der abgebildete "Kofferwagen" Werbung für den schon damals auf Qualitätsprodukte fokussierten Koffer-Hersteller. Das Basisfahrzeug war ein Opel-Geschäftswagen mit einer halben Tonne Nutzlast. Den Aufbau hat die Firma Stolle in Hannover-Linden gefertigt, die noch heute vor allem auf das Karossieren von Bestattungswagen spezialisiert ist. "La Lechera" ist in Spanien bis heute ein bekannter Name für gezuckerte Kondensmilch. Der abgebildete Werbewagen war ein Krupp L5N von etwa 1929 mit Luchterhand & Freytag-Aufbau aus Berlin. Ob er auf eigener Achse in sein spanisches Einsatzgebiet gelangte, ist nicht überliefert. Foto: Landesbildstelle Berlin Trebor wurde 1907 im Londoner East End gegründet. Der Vorname eines der Gründer diente rückwärts gelesen als Markenname. Trebor entwickelte sich schnell zu einem der größten Süßwarenhersteller Großbritanniens. "Extra Strong Peppermints" wurden 1937 eingeführt. 1989 übernahm Cadbury Schweppes das Unternehmen. Der abgebildete Werbetruck, ein Dennis Stork mit Spezialaufbau, diente ab 1954 als Werbefahrzeug. Die Innenausstattung ist leider nicht dokumentiert. Etwa 1934 mag dieses Gespann entstanden sein. Es fuhr für die General Electric Company aus Detroit quer durch die Vereinigten Staaten. Der Auflieger hatte das Erscheinungsbild eines Hauses. Im Inneren konnten Interessenten sich elektrische Haushaltsgeräte vorführen lassen. Unter dem Jubel der Bevölkerung wurde hier ein riesiger blecherner Napfkuchen durch die Straßen gekarrt. Zugfahrzeug war ein Lastwagen der Marke NAG mit Spezialaufbau als Werbewagen. In den dreißiger Jahren sollte er "den alten Freunden der bewährten Dr.-Oetker-Erzeugnisse manches Neue zeigen", so der Begleittext zu dem Foto. Der Napfkuchen-Anhänger enthielt einen Generator, der im Zugwagen für Strom sorgte. Backofen, Warmwassergerät, Kühlvitrine, Lautsprecher-Anlage und ein Tageslicht-Filmprojektor wurden damit betrieben. In Tschechien gibt es seit 1903 eine Likörfabrik namens Horec. Ob das hier abgebildete Fahrzeug auf diese Firma zurückgeht, war nicht herauszufinden. Bekannt sind nur der Berliner Aufbauhersteller Luchterhand & Freytag, die Nationale Automobil-Gesellschaft NAG als Hersteller des Fahrgestells sowie das Jahr der Aufnahme 1927. Foto: Landesbildstelle Berlin Potentielle Kunden zum Bausparen zu animieren, war der Zweck dieses Häuschens auf Rädern. Die Veranda war für den Fahrer reserviert, weiter hinten befand sich ein kleines Büro. Bausparverträge konnten ambulant abgeschlossen werden. Als Basisfahrzeug diente ein Opel Blitz von 1936. Mit diesem Mercedes-Lastwagen des Typs N 56 von 1930 war ein Trupp Angestellter der Wäscherei Landrock aus Berlin-Köpenick unterwegs. Schmutzwäsche wurde bei den Kunden an der Wohnungstür abgeholt, um nach drei Tagen im gereinigten Zustand wieder abgegeben zu werden. Das Geschäftsmodell machte Landrock in Berlin berühmt. Elektro-Großgeräte mittels Werbefahrzeugen bekannt zu machen, kann keine schlechte Idee gewesen sein. Mit diesem Opel-Lieferwagen, als Schaukasten karossiert von Luchterhand & Freytag, bot Siemens seine neuartigen Kühlschränke an. Die hatten Mitte der dreißiger Jahre Seltenheitswert. Denn damals kühlte man noch mit Eisblöcken im sogenannten Eis-Schrank. Foto: Landesbildstelle Berlin Zeit-typisch in perfekter Stromlinienform war dieser Werbezug gehalten, der für Kienzle-Uhren unterwegs war, einer Firma aus Schwenningen am Neckar, die 1822 gegründet wurde. Es gab zwei Exemplare des Werbezugs von 1937. Sie waren war 16 Meter lang und hatten ein Gewicht von elf Tonnen. Die Fahrgestelle kamen von Mercedes, die Aufbauten vom Berliner Karossier Gaubschat. Innen befand sich eine Uhrenausstellung für Fachkunden, außen Schaufenster für das Publikum. Die Fahrzeuge hatten Radioempfangsanlagen, dazu Grammophon- und Mikrophon-Übertragung auf Außen-Lautsprecher. Ein Generator mit eigenem Motor und 500 Kilo schwere Akkus lieferten die benötigte elektrische Energie. Außerdem war ein Wohnbereich mit zwei Betten, Sesseln, Tischen, Wasch- und Spülmöglichkeit und einem Eisschrank vorhanden. Auch ein Tank mit 350 Litern Wasser gab es an Bord. Sanella war einst die meistgekaufte Margarine Deutschlands. So jedenfalls lautet der Werbespruch an der Seite des abgebildeten Promotions-Lastwagens. Das Fahrzeug war ein Krupp L3M42 von etwa 1932, karossiert von Luchterhand & Freytag, Berlin. Foto: Landesbildstelle Berlin Der Berliner Aufbauhersteller Gaubschat war bekannt für exklusiven Karosseriebau, vor allem wenn es um die in den dreißiger Jahren moderne Stromlinienform ging. Auf der Berliner Automobilausstellung des Jahres 1938 wurde ein aufwendig gestalteter Werbe-Sattelzug vorgestellt. Die Wäscherei Landrock, seit 1869 in Berlin-Köpenick ansässig, hatte das Fahrzeug in Auftrag gegeben. "Licht in jedes Haus" war die Botschaft, die diese kleine Flotte von Opel-Blitz-Anderthalbtonnern ab 1949 verbreiten sollte. Glühbirnen waren eigentlich das Philips-Kerngeschäft. Aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg begann neben dem Verkauf von Radios auch der Vertrieb von Leuchtmitteln des niederländischen Herstellers in Deutschland. Basis dieses Werbemobils war ein Tempo Matador 1400 von etwa 1953, hergestellt bei Vidal & Sohn in Hamburg-Harburg. Die für Werbezwecke genutzte Wohnmobil-Karosserie stammte von Mikafa aus Minden in Westfalen. Dort war auch die Firma Bentz-Papier angesiedelt. Das Ehepaar Melitta und Hugo Benz hatten die Firma im Jahr 1909 ursprünglich in Dresden gegründet, nachdem Melitta einen praktischen Kaffeefilter erfunden hatte. Ihr Vorname wurde später zum Produktnamen. Das fahrende Schuhhaus der Firma Köchling aus Salzgitter-Bad hatte das Fahrzeugfabrik Kannenberg in Salzgitter karossiert. Basis war ein Ford des Typs G 199 B von etwa 1952. Mercedes L 322 von 1963 mit Aufbau als Küchenstudio. Hersteller war Ackermann in Wuppertal. Diese Abbildung stammt aus einem Prospekt des französischen Aufbau-Herstellers Démas aus Cerizay im Département Deux-Sèvres südwestlich von Nantes. Der Wagen warb für Chocolat Poulain, eine der ältesten Schokoladenmarken Frankreichs mit Produktionsbeginn im Jahr 1848. Die Karosserie basierte auf einem Peugeot, Baujahr etwa 1966. Die Bremer Firma Biomaris gibt es seit 1937. Zunächst bestand das Angebot aus dem "Helgoländer Meerwasser-Kurgetränk", heute sind neben Meerwasser vor allem Kosmetik-Produkte im Portfolio. Der Werbezug von etwa 1965 bestand aus einem Hanomag Kurier als Zugfahrzeug und einem Spezialauflieger. Er diente als Probierstube für Meerwasser-Getränke wie Biomaris-Cola oder das "Orangentiefseegetränk". Aus einem Renault-Katalog von 1953 unter der Überschrift "LES VÉHICULES PUBLICITAIRES" Bizerba-Waagen gibt es seit 1868, als der Schlosser Andreas Bizer von seiner Heimatstadt Balingen mit dem Bau einer Brückenwaage beauftragt wurde und daraufhin sein Unternehmen gründete. Der Hanomag Anderthalbtonner von 1951 fuhr als rollendes Schaufenster durch die Lande und warb für Waagen aller Art. DQACol19510000xxPP_000076pso.jpg
Hersteller dieses Spezialanhängers war Westfalia in Rheda-Wiedenbrück. Inhalt der riesigen Autobatterie waren weder Schwefelsäure noch positive und negative Platten, sondern vermutlich Werbematerial und Taschenlampenbatterien für potentielle Kunden. Das Foto stammt von 1951.
Coca-Cola-Werbefahrzeug in einem Renault-Prospekt aus den Fünfziger Jahren. Die Karosserie stammte von Marchand & Letourneur aus Neuilly-sur-Seine bei Paris. Die Privatbrauerei W. Rummel aus Darmstadt betrieb dieses Gefährt auf Basis eines Volkswagen-Transporters des Typs T2b der Serie ab August 1972 mit oben angebrachten Blinkern. Man kann sich das Aufsehen vorstellen, das diese „Lokomotive“ in der Fußgängerzone erregt hat. Foto: Armand Bastin Auf den Namen "Bim" hatte man dieses Motorschiff auf Rädern getauft. Urheber der Idee war die Schokoladenfabrik Stockmann in Hamburg-Wandsbek. Ausgeführt wurde das spektakuläre Einzelstück in Salzgitter von den Fahrzeugwerken Kannenberg (Faka) auf Basis eines Mercedes L 6600 von 1954. Wenn sich Lokomotiven und Schiffe im Straßenverkehr tummeln konnten, musste es auch einem Flugzeug gestattet sein. Oder so etwas ähnlichem, nur ohne Flügel, denn die hätten den übrigen Verkehr zumindest behindert. Der Associated Aviation Club of America aus New York war Urheber des seltsamen Ungetüms auf diesem Bild. In 46 Staaten war es unterwegs, um für den Fortschritt im Luftverkehr zu werben, wie der Beschriftung zu entnehmen ist. Das Foto ist nicht datiert, wir schätzen, dass es um 1950 entstanden ist. Werbefahrzeuge konnten gigantische Ausmaße annehmen. Basierend auf dem Kässbohrer-Gelenk-Omnibus des Typs SG 180 mit Büssing-Unterflurmotor U 12 D entstand in den frühen 1970er Jahren der zweistöckige „Thyssen-Informationsbus“. Im Oberdeck mit ausfahrbarem Dach befand sich eine komplett eingerichtete Küche und ein Konferenzraum mit Audiovisionsanlge für dreißig Personen. Betreiber war der Thyssen-Konzern, Hersteller des Aufbaus war Kässbohrer in Ulm. Der Thyssen-Informationsbus in Fahrstellung mit abgesenktem Dachaufbau. Das Fahrzeug wurde während seiner Einsatzzeit offenbar einmal umlackiert. Die Bekanntheit von Dortmunder Aktien-Bier zu steigern, dürfte mit dem "DAB-Zug" gelungen sein. Die Aufnahme des außergewöhnlichen Werbewagens entstand etwa 1986 in Duisburg, die Zugmaschine ist ein MAN mit F8-Fahrerhaus von etwa 1982. Foto: Dethlef Gerth Text: Steve St.Schmidt
Fotos: Archiv der Edition Diesel Queen