Die Volvo-Chronik

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Von Christoph Büch (Berlin 2024)

1956 entwarf der Designer Helmer Petterson vor allem für innerstädtische Lieferungen ein modernes Frontlenker-Fahrerhaus als Ganzstahlkonstruktion. Auch diese Kabine war noch fest auf den Rahmen montiert. Der L 420 Snabbe war für 5-6 Tonnen, der L 430 Trygge für 8,4 Tonnen Gesamtgewicht ausgelegt. Den Antrieb besorgte ein Achtzylinder-Benziner mit 3,6 Litern Hubraum, der 120 PS leistete und zuverlässig lief, aber wesentlich mehr Kraftstoff verbrauchte als die Dieselmotoren. Deshalb kaufte Volvo bei Ford einen Vierzylinder-Diesel mit 3,6 Litern Hubraum und 65 PS, dessen Drehmoment dem V-8-Benziner entsprach, mit deutlich niedrigerem Verbrauch, aber weniger kultivierterem Lauf. Mitte der sechziger Jahre ersetzte man den Ford-Motor durch einen stärkeren Perkins-Diesel mit 80 PS. Die Modelle Snabbe und Trygge wurden von 1956 bis 1975 äußerlich nahezu unverändert hergestellt. Die Produktionszahlen beliefen sich auf mehr als 25.000 Exemplare. Dann erfolgte in der Mittelklasse die Umstellung auf Fahrzeuge mit der Viererclub-Kabine, von der hier noch die Rede sein wird.

Der L 420 Snabbe und der L 430 Trygge hatten das gleiche Fahrerhaus, dessen Grill dem der Haubenwagen entsprach. Die Mittelklasse-Frontlenker waren für ein Gesamtgewicht von bis zu 8,4 Tonnen ausgelegt. Das abgebildete Exemplar war 1981 in der Schweiz im Einsatz.

Für die schwedische Armee entwickelte Volvo Ende der fünfziger Jahre mit dem Modell L 3314/15 Laplander einen kompakten Allrad-Lastwagen als Frontlenker. Bis 1970 wurden etwa 10.000 Exemplare in unterschiedlichen Konfigurationen hergestellt. Als Motoren dienten Benziner mit zunächst 60, später bis 82 PS.

Den Laplander hatte Volvo 1959 für die schwedischen Streitkräfte entwickelt. Der kompakte Allrad-Kleinlaster war aber auch für zivile Zwecke geeignet. Das Foto zeigt ihn als Pickup auf einer Automobilausstellung, es gab ihn aber in unterschiedlichen Ausführungen.

Erste kippbare Fahrerhäuser

In den USA waren Kipp-Kabinen längst üblich, Europa musste auf diesen Fortschritt lange warten. Doch 1962  setzte Volvo sich mit einem kippbaren Frontlenker-Fahrerhaus europaweit an die Spitze der Entwicklung. Die neuen Modelle L 4751 und L 4851 erhielten die Namen „Raske TipTop“ und „Viking TipTop“. Mit altbewährter Technik, aber modernen Fahrerhäusern entstanden bis 1964 mehr als 3498 Fahrzeuge der leichteren Raske-Baureihe und 1078 der Reihe Viking TipTop.

Den ersten schweren Frontlenker mit kippbarem Fahrerhaus hatte Volvo ursprünglich für die USA entwickelt. 1964 wurden die Typen L 4951 und L 4956 „Titan TipTop“ in 4x2- und 6x2-Ausführungen auf dem schwedischen Markt eingeführt und binnen zwei Jahren über 1400 mal produziert. Dieses Modell war der Vorgänger des legendären F 88, der Volvo schon bald zu einem der führenden Hersteller schwerer Straßen-Lkw in Europa machte.

Der Prototyp X1 des L 4951 Titan TipTop von 1963 wies deutliche Stilmerkmale amerikanischer Frontlenker seiner Zeit auf, da er für den Export in die USA bestimmt war.
Einige Frontlenker mit kippbarem Fahrerhaus aus der Vorserie des Titan TipTop fanden ihren Weg auf schwedische Straßen, vermutlich zu Testzwecken im Speditionsverkehr, wie dieses Foto zu belegen scheint.
Der Titan TipTop war der direkte Vorfahre des legendären Volvo F 88, hier ein Exemplar im skandinavischen Fernverkehr. Die Aufnahme entstand 1968 in Dänemark.