Die Scania-Chronik

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Von Christoph Büch und Steve St.Schmidt (Berlin 2023)

Serien R, P (und T) ab 2004
Abschied von den Haubenwagen 2005

Im Frühjahr 2004 änderte Scania die Nomenklatur. Die neue Generation hieß nicht mehr Serie 5, sondern bezog sich in ihrer Bezeichnung auf die Größe der Fahrerhäuser. Das R stand wie zuvor für die hohen Fernverkehrskabinen, das P für die niedrigeren Kabinen. Die Präsentation der neuen Modelle erfolgte Ende September auf der IAA in Hannover. Die R-Serie war mit insgesamt fünf verschiedenen Fahrerhäusern erhältlich, die sich alle weiter individualisiert werden konnten:

Kurzes, niedriges R-Fahrerhaus - CR 16 - 3.100 mm Höhe
Mittellanges, niedriges R-Fahrerhaus - CR 19 L - 3.100 mm Höhe
Normales R-Fahrerhaus - CR 19 N - 3.340 mm Höhe
Hohes Highline-Fahrerhaus - CR 19 H - 3.540 mm Höhe
Extra hohes Topline-Fahrerhaus - CR 19 T - 3.860 mm Höhe

Um mehr Innenhöhe zu gewinnen, waren die R-Fahrerhäuser nun höher über dem Motor montiert. Es gab optimierte Fahrerhaus-Einrichtungen und einen neuen Fünfzylinder mit 8,9 Litern Hubraum in den Scania-üblichen Abmessungen mit 127 mm Hub und 140 mm Bohrung. Das Leistungsspektrum reichte von 230 bis 310 PS. Der V8 stand mit 620 PS wieder an Europas Leistungsspitze. Äußerlich waren die neuen Baureihen an einem modernisierten Kühlergrill mit fließenden Linien und abgerundeten Ecken zu erkennen. Anstelle der Hubraumangabe erschien an den Fahrzeugen (von außen gesehen neben dem linken Scheinwerfer) eine Plakette mit dem Kabinentyp und der ungefähren Motorleistung (zum Beispiel P 270 oder R 580).

Die Form des Kühlergrills änderte sich 2004 bei allen Scania-Modellen. Geschwungene Linien und abgerundete Formen kennzeichneten die neuen Serien. An den Fahrzeugen waren nun nur noch die Bezeichnung des Fahrerhauses und die Motorleistung abzulesen. Die Sattelzugmaschine auf dem Foto war mit dem niedrigen P-Fahrerhaus und dem 420-PS-Motor ausgestattet.
Auf der Berliner Stadtautobahn war 2016 dieser R 420 der polnischen Spedition Marlep Trans unterwegs. Das hohe R-Fahrerhaus hatte das Topline-Hochdach.

Im lateinamerikanischen Scania-Werk in São Bernardo do Campo (Brasilien) wurde die Produktion der Serie 4 fortgesetzt, aber ab Oktober 2004 als Série Evolução (Evolutionsserie) mit den neuen Motoren der Serien P und R und den geänderten Modellbezeichnungen vermarktet.

Auf der IAA 2004 in Hannover stellte Scania einen face-gelifteten Haubenwagen vor, der nun je nach Motorleistung T 320, T 500, T 580 oder T 620 hieß. Ein veränderter Stoßfänger mit abgerundeten Linien und eine höhere Haube, unter der die neuen Motoren mit Leistungen bis zu 620 PS Platz fanden, waren die äußerlichen Kennzeichen. Doch dem letzten Scania-Haubenwagen war nur ein einziges Jahr Bauzeit beschieden, denn schon im Oktober 2005 beschloss Scania, die Produktion einzustellen. In den vergangenen zehn Jahren hatte sich der Absatz in Europa halbiert, in Lateinamerika war er sogar um 90 Prozent zurückgegangen. Im Jahr 2004 wurden weltweit weniger als 1000 Scania-Lkw mit Motorhaube verkauft, was keinen anderen Schluss zuließ, als das es keinen Markt mehr für sie gab.

Der letzte Haubenwagen von Scania war auch der letzte seiner Art in Europa. Er war nur ein Jahr lang erhältlich, dann wurde die Produktion eingestellt und eine Ära ging zu Ende.

Die Gesamtproduktion von 53.000 Fahrzeugen im Jahr 2005 verteilte sich auf das Stammwerk in Södertälje mit 14.000 Fahrzeugen, auf Zwolle mit 22.000, auf São Bernardo mit 14.000 und auf Angers in Frankreich mit 10.000 Fahrzeugen.

Ende 2006 brachte Scania mit dem CP 19 E eine neue Low-Entry-Version des P-Fahrerhauses auf den Markt, die speziell für Müllfahrzeuge entwickelt wurde, bei denen das Bedienpersonal schnell und oft ein- und aussteigen muss. Die Kabine war als Konkurrenzprodukt zum Mercedes-Benz Econic gedacht.

2006 wurde die Low-Entry-Version des P-Fahrerhauses auf den Markt gebracht. Der niedrige Einstieg war vor allem für Entsorgungsfahrzeuge gedacht. Im Bild ein P 270 im Einsatz in der schwedischen Kleinstadt Älmhult.

Im September 2007 stellte Scania die völlig neue Serie G vor, deren Fahrerhaushöhe zwischen der Serie P und der Serie R lag - nicht zu verwechseln mit dem früheren G-Fahrerhaus der Serien 2 und 3, das noch niedriger war als das P-Fahrerhaus, und auch nicht mit dem G-Fahrgestell der Serie 4. Äußerlich unterschied sich die Serie G von der Serie R durch den schmaleren „Gürtel“ (das Segment zwischen dem oberen und unteren Kühlergrill).

Das ab 2007 lieferbare G-Fahrerhaus war auf den ersten Blick kaum vom R-Fahrerhaus zu unterscheiden. Äußerlicher Unterschied war der geringere Abstand zwischen oberem und unterem Kühlergrill beim G-Fahrerhaus. Das Foto wurde 2017 in den Niederlanden aufgenommen, der Sattelzug war bei Combex Transport aus Eastermar im Einsatz.

Die Einhaltung der Abgasnormen Euro 4 und später Euro 5 erforderte einige Anstrengungen. Die Scania-Konstrukteure setzten zunächst auf Abgasrückführung und Oxidationskatalysatoren, entschieden sich dann aber für SCR-Katalysatoren mit Ad-Blue-Einspritzung (Harnstoff). Die Umstellung der Motoren auf Euro 5 begann mit dem 9,3-Liter-Fünfzylinder mit 230 bis 320 PS. Zwei Sechszylinder mit 11,7 und 12,7 Litern Hubraum kamen auf 360 bis 480 PS, der große V8 auf 500 bis 730 PS.

Seit Anfang 2008 gehört Scania mehrheitlich zum VW-Konzern, der in den Jahren zuvor bereits die Nutzfahrzeugsparte von MAN übernommen hatte. Die Konsolidierung der traditionsreichen und eigenständigen Lkw-Konzerne unter dem Dach der Volkswagen Truck & Bus (seit 2018 Traton-Holding) schien zunächst problematisch. Mit der Zeit erwies sich die Zusammenführung jedoch als hilfreich, die Marken bilden inzwischen eine erfolgreiche Symbiose, denn Rationalisierung durch gleiche Teile ist die Maxime. Die Traton SE gehört mit ihren Marken Scania, MAN, Volkswagen und Navistar (ehemals International Harvester) zu den weltweit führenden Nutzfahrzeugherstellern und beschäftigt insgesamt mehr als 100.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Im April 2008 stellte Scania seine ersten Lkw mit Ethanolantrieb (ED95) vor, nachdem das Unternehmen bereits seit fast zwei Jahrzehnten Busse mit Ethanolantrieb anbot.

Scania bot nun drei Baureihen an: die Serie P mit niedrigem Fahrerhaus, die Serie G mit höherem Fahrerhaus für den Regional- und Baustellenverkehr und die Serie R für den Fernverkehr. Alle Fahrerhäuser waren in verschiedenen Höhen und Längen erhältlich. Die Produktion belief sich 2010 auf 61.000 Lkw und 6.700 Busse. 40 Prozent der Produktion wurden in Europa verkauft, 30 Prozent in Südamerika und 20 Prozent in Asien. Scania unterhielt Produktionsstätten in neun Ländern (in alphabetischer Reihenfolge):

Brasilien: São Bernardo do Campo (Scania Latin America Ltda.)
Frankreich: Angers (Scania Production Angers SAS)
Indien: Narsapur, Karnataka (Scania India; CKD)
Malaysia: Kuala Lumpur (Scania Malaysia Sdn. Bhd.; CKD)
Niederlande: Zwolle (Scania Production Zwolle)
Philippinen: San Simon, Pampanga (Scania PH San Simon Plant; CKD)
Russland: Sankt Petersburg (MAN Production plant)
Schweden: Södertälje, Oskarshamn, Luleå (Scania AB)
Thailand: Samut Prakan (Scania Manufacturing Thailand Co., Ltd.; CKD)


Facelift 2009:
Neue Grillgestaltung

Ende 2009 wurde mit der „Serie New R“ eine aktualisierte Serie R mit vielen Neuerungen eingeführt, darunter ein optimiertes Außendesign: Die horizontalen Öffnungen im Kühlergrill waren nicht mehr rechteckig abgerundet, sondern breiter und liefen an den Enden trapezförmig nach oben zu. Die neue Form mit schmaleren Stegen sorgte für einen höheren Luftdurchsatz. Auch im Innenraum gab es neue Details, darunter die Option einer werkseitig installierten Kaffeemaschine, eine neue Version des Getriebesystems Scania Opticruise mit automatischer Kupplung und ein Fahrerassistenzsystem. Die Serie G erhielt das Upgrade 2011, die Serie P im Laufe des Jahres 2013.

2009 war das Jahr, in dem die Nachkommen der Serie 4 einem weiteren Facelift unterzogen wurden. Die äußerlich sichtbare Veränderung bestand vor allem in einem modifizierten Kühlergrill mit breiteren, an den Enden trapezförmig nach oben zulaufenden Öffnungen und schmaleren Stegen dazwischen. Im Bild ein Sattelzug vom Typ R 500, der 2016 bei der spanischen Spedition Cocantra aus Santander im Einsatz war.
Die Serie G erhielt das Facelift 2011. Der abgebildete Tankwagen war 2017 in Spanien unterwegs.
Die Baureihe P musste bis 2013 auf die Modernisierung warten. Die Fotos, beide in Berlin aufgenommen, zeigen oben einen P 370 8x4 mit Betonmischeraufbau und unten einen Nahverkehrslastwagen vom Typ P 320 6x2.

Im April 2010 brachte Scania eine neue Version des V8-Motors mit bis zu 730 PS auf den Markt, die bereits auf die zukünftigen Euro VI-Emissionsanforderungen vorbereitet war. Damit war der neue R 730 der stärkste Serien-Lkw der Welt, bis er im September 2011 vom Volvo FH16 mit 750 PS übertrumpft wurde.
2014 erhielten die Windabweiser an den vorderen Ecken der Baureihen G und R ein neues Design. Die seit der Serie 4 typischen „Ohren“ verschwanden und wurden durch kleine „Flügel“ am unteren Rand der Karosserie ersetzt, die für eine bessere Aerodynamik sorgten. Die neue Form war unterschiedlich bei den R- und G-Modellen

Zwei Jahre vor der Ablösung durch die Next Generation änderte sich noch einmal das Erscheinungsbild der R- und G-Fahrerhäuser. Die typischen „Scania-Ohren“ fielen weg und wurden an den vorderen Fahrzeugecken durch wesentlich kleinere Windabweiser an der unteren Karosseiekante ersetzt. Die P-Fahrerhäuser blieben unverändert. Die Bilder zeigen einen R 450 der spanischen Spedition Primafrio und einen G 410 in Amsterdam, der bei C.H.Dekker Transport B.V. aus Ilpendam im Einsatz war.

Ab 2014 setzte Scania zur Erfüllung der Euro-6-Norm nur noch auf SCR-Katalysatoren (Selective Catalytic Reduction) mit Ad-Blue-Einspritzung, was einen geringeren Dieselverbrauch bei gestiegenem Ad-Blue-Bedarf bedeutete. Die Technik der Abgasrückführung war schließlich zu aufwendig geworden.