Die Scania-Chronik

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Von Christoph Büch und Steve St.Schmidt (Berlin 2023)

Serie 0 ab 1968:
Nur noch "Scania"

1968 erfolgte die Kürzung des Firmennamens. Die Fahrzeuge trugen fortan nur noch den Namen Scania. Der bisherige Doppelname wurde für einige Exportmärkte als zu wenig prägnant empfunden. Das Unternehmen selbst hieß jedoch weiterhin Scania-Vabis. Im selben Jahr änderten sich auch die Typenbezeichnungen. Die Bezeichnungen der Baureihen richteten sich nun nach dem Hubraum der Motoren. Aus dem L 36 wurde der L 50, aus dem L 56 der L 80 und aus der Baureihe L 76 der L 110, entsprechend der Größe der verbauten Motoren. Da die Typenbezeichnungen nun mit einer Null endeten, wurde die Baureihe später von Scania-Kennern als „Serie 0“ bezeichnet. Als Nachfolger des L 66 kam abweichend vom „Schema Null“ zusätzlich zum L 80 mit 16,5 Tonnen Gesamtgewicht noch die Variante L 85 mit 19 Tonnen Gesamtgewicht für den Export hinzu.

Aus dem LS 76 wurde der LS 110, als der Firmenname Scania-Vabis auf den Fahrzeugen zu Scania abgekürzt wurde. Der abgebildete 6x2-Dreiachser mit Tankaufbau war 20 Jahre alt, als das Foto 1988 in Barcelona entstand.
Auch der L 36 erhielt 1968 eine neue Typenbezeichnung mit der Endziffer Null, nämlich L 50. Das Foto wurde 1982 in Amsterdam aufgenommen.

1968 wurde die deutsche Scania-Vertretung in Koblenz gegründet und in den Folgejahren ein Werkstattnetz in Deutschland aufgebaut. Teilweise konnten „heimatlos“ gewordene ehemalige Henschel- und Krupp-Händler für Scania gewonnen werden. Die Robustheit und die technischen Qualitäten der schwedischen Lkw sprachen sich nun auch in Deutschland allmählich herum und die Verkaufszahlen stiegen kontinuierlich. Scania war damals einer der wenigen ausländischen Hersteller, die sich auf dem für Importfahrzeuge schwierigen deutschen Markt dauerhaft etablieren konnten. 1970 waren schon rund 500 Scania-Lkw in Deutschland zugelassen, fünf Jahre später waren es bereits 4.000. Der Autor erinnert sich noch gut an die ersten imposanten und leistungsstarken Hauber, meist Sattelzugmaschinen, die er als Jugendlicher ab Ende der 60er Jahre auf deutschen Straßen sah.

Der schwedische Konkurrent Volvo bot bereits Anfang der sechziger Jahre kippbare Frontlenker-Fahrerhäuser an. Scania zog im Februar 1968 mit einem vom englischen Produktdesigner Lionel Sherrow entworfenen Fahrerhaus nach. Der LB 110 und seine dreiachsige Variante LBS 110 waren geboren. Das neue Fahrerhaus ließ sich hydraulisch um 60 Grad kippen. Das klare, kantige Design und die komfortable Innenausstattung fanden in der Fachpresse großen Anklang. Das moderne Erscheinungsbild der neuen Frontlenker war ein echter Hingucker und fiel im Straßenbild sofort auf.

Die ersten Exemplare des LB 110 trugen unter der Windschutzscheibe einen Scania-Schriftzug, der aus einzelnen kleinen verchromten Buchstaben bestand. Ein Jahr später waren die Buchstaben mehr als doppelt so groß, aber immer noch einzeln angebracht.

Bei der ersten Version des LB 110 von 1968 bestand der Scania-Schriftzug über dem Kühlergrill noch aus kleinen, weit auseinander stehenden Chrombuchstaben.
Bereits 1969 hatten die Fahrzeugdesigner von Scania die Buchstaben deutlich vergrößert. „Scania“ war nun schon von weitem gut zu erkennen.
1969 war auch das Jahr, in dem der LB 80 mit niedrigem Fahrerhaus und über der Stoßstange platzierten Scheinwerfern in das Scania-Fahrzeugprogramm aufgenommen wurde.
Vor allem aber bot Scania ab 1969 das neue Spitzenmodell LB 140 an. Für den Antrieb sorgte der 350 PS starke Turbo DS 14, der den LB 140 zum stärksten Lkw Europas machte. Der „King of the Road“ war geboren.
Blick auf den Arbeitsplatz in einem Scania LBT 140 aus dem Jahr 1969

1969 kamen der LB 80 mit niedrigem Fahrerhaus und das neue Spitzenmodell LB 140 mit dem V8-Turbomotor DS 14 hinzu. Der neue Motor war ein Meilenstein: Aus 14,2 Litern Hubraum leistete er 350 PS und war damit der stärkste in Europa. Das Aggregat gehörte zu den bedeutendsten Motoren der europäischen Lkw-Geschichte und machte Scania zum Mythos. Der Slogan „King of the Road“ war keineswegs nur eine leere Werbefloskel. Der neue Motor kam auch im neuen Haubenwagen L 140 zum Einsatz, der 1972 auf den Markt kam. Er besaß eine neu entwickelte, nach vorn kippbare Motorhaube in eckiger Form.

Analog zum Frontlenker LB 140 gab es ab 1972 den völlig neu entwickelten Haubenwagen L 140. Das Fahrerhaus war eine modifizierte Version der LB-80-Kabine mit nach vorn kippbarer Motorhaube. Das abgebildete Exemplar war in Schweden im Einsatz.

Parallel zu den Haubern des Typs L 140 behielten die Hauber der Baureihe L 110 (später L 111) bis zum Produktionsende im Jahr 1980 ihre bewährte Form, erhielten aber im Laufe der Jahre neue und verbesserte Innenausstattungen, Motoren und Getriebe. Insgesamt wurden von dieser Baureihe bis zur endgültigen Produktionseinstellung 115.000 Exemplare in Schweden, Brasilien und den Niederlanden gebaut.

Abweichend vom „Schema Null“ gab es ab 1969 auch den Typ L 85 als schwere Variante des L 80. Das als Zugmaschine aufgebaute Fahrzeug auf dem Foto von 1981 war bei einem Berliner Schaustellerbetrieb im Einsatz.

Der L 80 und der LB 80 waren aufgrund ihres Fahrgestells nur für mittelschwere Einsätze geeignet. Um das Lkw-Programm zu erweitern und den Bedarf an schweren Fahrzeugen für den Nahverkehr zu decken, kombinierte Scania die kleineren Fahrerhäuser und Motoren mit den Fahrgestellen der großen. Das Ergebnis waren zwei neue Baureihen, die Scania ab 1969 auf den Markt brachte. Abweichend vom „Schema Null“ erhielten sie die Modellbezeichnungen L 85 und LB 85 (4x2) sowie LS 85 und LBS 85 (6x2). Sie boten ein robustes Fahrgestell für schwere Lasten, kombiniert mit einem sparsamen Motor und einem 10-Gang-Getriebe. Mit der Umstellung auf die Serie 1 änderten sich 1975 die Ziffern der Typenbezeichnungen von 85 auf 86.

Auf Betreiben der schwedischen Eigentümerdynastie Wallenberg fusionierte Scania 1969 mit der Pkw-Sparte des Rüstungs- und Flugzeugbaukonzerns Saab. Es entstand die Saab-Scania AB, wobei Scania als hochprofitabler Nutzfahrzeugspezialist ein Unternehmen im Unternehmen blieb. In der Folge schrieb Saab regelmäßig rote Zahlen und musste von Scania subventioniert werden. Die Fusion hielt 26 Jahre, bis sich die beiden Unternehmen 1995 wieder trennten und seitdem unabhängig voneinander operieren.