Die FTF-Chronik

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Von Niels Jansen (Nordholland 2022)

Die Anfänge

Die Wurzeln des niederländischen Herstellers von Spezialfahrzeugen namens FTF reichen bis in die dreißiger Jahre zurück, als die Familie Floor in Hilversum ein Transport- und Heugeschäft betrieb. Die transportierten Güter waren vielfältig und reichten von Baumaterial bis zu Heu und Futtermitteln. Während des Zweiten Weltkriegs jedoch lähmten die Feindseligkeiten jener Zeit nicht nur die Transportaktivitäten, sondern kosteten Vater Floor auch das Leben.

Nach dem Krieg kurbelten die vier Söhne des Gründers das Geschäft mit dem Transportunternehmen wieder an. Mit dem einzigen brauchbaren Fahrzeug, einem alten Sechszylinder-Benzin-Lkw der Marke Chevrolet, der den Krieg überstanden hatte, ging es los. Er reichte zunächst aus, um den Heuhandel wieder aufzunehmen. Im Jahr 1946 waren im Rahmen eines staatlichen Hilfsprogramms ausgediente US-Army-Trucks der Marke Mack verfügbar und den Floors gelang es, einige dieser Fahrzeuge zu erwerben. Mit selbstgebauten Anhängern versehen, erwiesen sich diese schweren und robusten Dreiachser des Typs NR als willige Arbeitsgeräte. Diese Lastzüge waren perfekt für robuste Transportaufgaben geeignet. Das sprach sich herum und so begannen auch andere Transporteure, sich für solche Gespanne zu interessieren. Als sich die Anfragen häuften, beschlossen die Brüder im Jahr 1953, eine kleine Fabrik für die Herstellung von schweren Anhängern zu eröffnen. Nun begannen Produktion und Verkauf von Fahrzeugen und schon bald geriet der Handel mit Heu zur Nebensache unter den geschäftlichen Aktivitäten der Floors.


Neue Mack-Importe

Als Repräsentanten des amerikanischen Lkw-Herstellers Mack im Jahr 1955 den Floors vorschlugen, neue Lkw dieser Marke in die Niederlande einzuführen, mussten sie nicht lange überlegen und signierten einen Vertrag mit den Amerikanern. Die nun folgenden Import-Tätigkeiten nahmen einen solchen Aufschwung, dass kurz darauf Transport und Heuhandel eingestellt wurden. Von nun an war Floor ein reiner Lkw- und Anhänger-Anbieter. In den Werkhallen in Hilversum erfolgte schon bald die Montage zahlreicher Mack-Zwei- und Dreiachser des Typs B.

Die Nachfrage nach Mack-Fahrgestellen stieg stetig an und Floor wurde auch Händler für Belgien und Luxemburg. Da die Kapazitäten in Hilversum nun nicht mehr ausreichten, errichteten die Brüder im Jahr 1963 ein neues Werk in Wijchen bei Nijmegen, etwa 100 Kilometer entfernt von Hilversum.

Leider kam es ein Jahr später zu einem Konflikt mit den Amerikanern, der zum Scheitern des Joint Ventures führte, denn Mack hatte den französischen Lkw-Hersteller Bernard übernommen und plante nun, ein eigenes Montagewerk für Westeuropa zu errichten. Die Floors waren konsterniert, denn sie hatten viel Geld in das Werk in Wijchen investiert und zeigten sich nicht bereit, die Produktion von schweren Lkw ohne Widerspruch aufzugeben. Zur eigenen Überraschung gewannen sie eine Klage gegen Mack Trucks Inc. Es heißt, dass die Amerikaner eine beträchtliche Summe zahlen mussten, die es den Floor-Brüdern ermöglichte, 1965 ihr eigenes Lkw-Bauprogramm zu starten. Zusammen mit einem begeisterten Team von Ingenieuren und Mechanikern wurde schon bald das Konzept für einen völlig neuen Dreiachs-Lkw ausgearbeitet. 


Die Geburt eines komplett neuen Lkw

Der erste FTF erblickte im Februar 1966 auf der RAI-Nutzfahrzeugmesse in Amsterdam das Licht der Welt. Der vollständig neu entwickelte Frontlenker war ein handgefertigtes Einzelstück, das zahlreiche Mack-Komponenten enthielt, die sich bei den Floors noch im Lager befunden hatten. Natürlich machte es Sinn, diese Teile zu verwenden, bevor man sich nach neuen Lieferanten umsah. Den wärmebehandelten, hochfesten Hauptrahmen hatten die Floors in den USA vom selben Hersteller bezogen, mit dem auch Mack kooperierte. Die Achsen waren von Mack selbst, während General Motors den Sechszylinder-Dieselmotor mit Direkteinspritzung und das vollautomatische Allison-Getriebe des Typs HT70 lieferte. Der Detroit Diesel mit der Typenbezeichnung 6V-71N hatte 6,95 Liter Hubraum und leistete 238 PS bei 2100 Umdrehungen pro Minute. Alternativ war ein V8-Detroit-Diesel mit 318 PS im Angebot.

Die erste Lastwagen-Generation mit dem FTF-Schriftzug orientierte sich im Erscheinungsbild an der Mack-Baureihe F 600. In den Jahren 1966 und 1967 entstanden sieben Exemplare des kantigen Schwerlastwagens.

Neben einem 4x2-Fahrgestell war auch eine 6x2-Version mit Nachlaufachse und 20 Tonnen Tragfähigkeit im Angebot. Die Tandemversionen waren mit Walking-Beam-Federung und Zweikreis-Bremsanlage ausgestattet. Die technische Ausstattung der neuen FTF-Schwerlastwagen war recht ungewöhnlich, denn kein anderer europäischer Hersteller bot ein Allison-Automatikgetriebe als Standardausrüstung an. Und es gab noch weitere Details, die den FTF von anderen Produkten abhob, wie etwa das Kipp-Fahrerhaus mit Schlafabteil. Diese Bauart setzte sich damals erst allmählich durch. Die Floors hatten das innovative Fahrerhaus in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Karosseriebauer Van Vught entwickelt. Diese Firma hatte bereits die Kabinen für die von Floor zusammengestellten Macks gebaut.

Den Schwertransport-Unternehmen in den Niederlanden konnte FTF passende Zugmaschinen liefern. Schon die erste Generation bewährte sich mit großem Erfolg.

Das erste FTF-Modell wies bestimmte fortschrittliche Kabinenelemente des 1962 Frontlenker Mack F-600 auf. Anstelle von gewölbten Karosserie-Blechen kamen jedoch flache Bleche zur Verwendung, auch um Werkzeug-Kosten zu sparen. Vom ersten Modell wurden in den Jahren 1966 und 1967 sieben Fahrgestelle mit Schlafkabinen und eins mit kurzem Fahrerhaus hergestellt. 

Britische Kabinen

Nachdem es zwischen den Floors und Van Vught zu Unstimmigkeiten über die Produktion der Fahrerhäuser gekommen war, gingen die Brüder nach England und schlossen einen Vertrag mit der Firma Motor Panels of Coventry ab. Dieser unabhängige Karosseriebauer fertigte Stahlkabinen für verschiedene Lkw-Hersteller im Vereinigten Königreich. Dort gaben die Floors ein Fahrerhaus in kurzer und langer Version mit Schafabteil in Auftrag. Es wurde komplett mit Türen und Fenstern, aber ohne Grill geliefert, denn der war ein eigener Entwurf der Floors, aus Glasfaser und Metall gefertigt, wie auch die vorderen Kotflügel. Diese große Frontlenkerkabine hatte nicht nur ein ausgereiftes Konzept, sondern war auch preiswerter als die Van-Vught-Konstruktion. Das britische Fahrerhaus konnte zur einfachen Motor-Wartung um bis zu 60 Grad gekippt werden. Die erste Sattelzugmaschine der neuen Generation des Typs F-7.20D mit der Antriebsformel 6x4 verließ Ende 1967 das Werk. Sie wurde komplett mit Auflieger als Kippsattelzug geliefert und war für ein Gesamtgewicht von 50 Tonnen ausgelegt.

Die zweite Generation kam ab 1967 mit britischen Fahrerhäusern aus Coventry daher. Die von Motor Panels gelieferten Kabinen hatten ein ausgereiftes Design und trugen für FTF zum Erfolg der nächsten Jahre bei.

Trotz der vielen ausländischen Anbieter und der starken Präsenz von DAF auf dem niederländischen Markt war es den Floors gelungen, eine profitable Nische für ihre neuen maßgeschneiderten Schwerlastwagen zu finden. Im Jahr 1969 verließen etwa 20 Fahrgestelle das Werk in Wijchen, was durchaus beachtenswert war, wenn man bedenkt, dass sich das Produkt praktisch noch in der Erprobungsphase befand.

Schwerlastzugmaschinen gehörten zu den wichtigsten Produkten bei FTF.

Zur Überraschung vieler Experten der Branche trat Mack Trucks Ende 1967 erneut an FTF heran, mit dem Vorschlag, den Import von Mack-Lastwagen für die Benelux-Länder wieder aufzunehmen. Als Ergebnis wurden ab 1968 sowohl FTF- als auch Mack-Lkw im Werk Wijchen nebeneinander gebaut, bis Floor 1973 beschloss, den Mack-Import an die Firma Zwaans in Alphen aan den Rijn abzugeben.

Keine Transportaufgabe war zu schwer für die robusten Zugmaschinen des kleinen niederländischen Herstellers.

Bemerkenswert ist, dass in den fünf Jahren, in denen Fahrzeuge beider Marken montiert wurden, 60 FTF-Lkw mit Mack-Dieselmotoren, -Getrieben und -Achsen anstelle von Produkten von Detroit Diesel, Fuller, Allison usw. zur Auslieferung kamen. Denn nach typisch amerikanischem Vorbild hatte der FTF-Kunde die Wahl, wenn es darum ging, Fahrzeuge für  spezifische Einsatzgebiete individuell auszustatten.

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