Das Multi-Trailer-System von Rotterdam
Wie FTF die Containerbewegung im Terminal meisterte
FTF, der niederländische Hersteller von Lastwagen und Spezialfahrzeugen, war bekannt für individuelle Lösungen beim Bau von besonders schweren Einheiten. Als sich international der Containerverkehr durchsetzte, mussten in kurzer Zeit Methoden entwickelt werden, um die genormten Großbehälter im Hafen zu transportieren. In Rotterdam entstand 1966 das erste Container-Terminal Europas. FTF lieferte die Zugmaschinen, mit denen bis zu 100 Meter lange Hängerzüge im Hafenbereich bewegt werden konnten. Niels Jansen aus Bergen in Nord-Holland beschreibt in diesem Beitrag, wie die Entwicklung fortschritt und was aus einigen Exemplaren der FTF-Hafenschlepper geworden ist.
Der Hafen von Rotterdam ist das Tor zum europäischen Kontinent. Von jeher ist er für die Wirtschaft von großer Bedeutung, umso mehr aber, seit Mitte der sechziger Jahre die ersten Containertransporte begannen. Das Verfahren, Waren in genormten Stahlkisten zu transportieren, eroberte die Welt, und 1966 kam es zur Eröffnung des Europe Container Terminals (ECT) in Rotterdam. Im ersten Jahr wurden dort knapp 10.000 Container umgeschlagen, drei Jahre später waren es bereits mehr als 100.000. Nach der Unterzeichnung eines Vertrags mit der US-amerikanischen Container-Reederei SeaLand (heute Sealand, eine Division von Maersk) entstand 1988 das riesige Delta-Terminal direkt an der Nordseeküste.
Ende der achtziger Jahre nahm auch ein neues Hafen-Transportsystem seinen Betrieb auf. Es bestand aus schweren Schleppern, die fast 100 Meter lange gummibereifte Anhänger-Züge bewegen konnten. Beim ECT bekam es die Bezeichnung Multi-Trailer-System (MTS) oder Trolley-System. Da herkömmliche Terminal-Tractors die Bruttolasten von 250 bis 300 Tonnen nicht bewältigen konnten, plante man beim ECT eine Ausschreibung für den Bau einer Zugmaschine mit der Antriebsformel 6x4 und einem mindestens 400 PS starken Dieselmotor und Automatikgetriebe.
Im Jahr 1979 erteilte das Container-Terminal dem Schwerfahrzeug-Hersteller Floor Truck Company (FTF) den Auftrag, einen Prototypen zu bauen, der unter realen Arbeitsbedingungen getestet werden sollte. Auch DAF und Mercedes bzw. Titan erhielten entsprechende Aufträge, Prototypen zu bauen, mit denen sie sich um die lukrativen Serienherstellung bewerben sollten.
Außerdem wurde beim ETC eine große Anzahl von Anhängern mit Deichselrahmen benötigt. Die Entwicklung der ersten vierradgelenkten Einheiten erfolgte bei DAF. Die dann folgenden Aufträge gingen jedoch an den niederländischen Maschinenhersteller Buiscar aus Apeldoorn. Diese Firma hatte eine lange Tradition im Bau von Anhängern für internen Transport. Das System, zunächst für das Container-Terminal entwickelt, war später auch kommerziell erhältlich. Es bestand aus Zügen mit maximal zehn aneinander gekuppelten Anhängern, gezogen von schweren Zugmaschinen. Alle Anhänger waren selbstlenkend und selbstbremsend und hatten automatische Kupplungen. Der Lkw-Fahrer musste also sein Fahrerhaus nicht verlassen.
Die gesamte Anlage wurde in erster Linie entwickelt, um Zeit zu sparen, eine Priorität beim Containerumschlag. 1980 erhielt Floor den Auftrag, zwei Zugmaschinen zu liefern, die unter tatsächlichen Arbeitsbedingungen getestet werden sollten. FTF lieferte die Zugmaschine des Typs FD-8.20D1 mit der Antriebsformel 6x4. Sie war mit einem Detroit-Zweitakt-Dieselmotor des Typs 8V92TA ausgerüstet. Die Kraftübertragung erfolgte mittels eines vierstufiges Allison-Automatikgetriebes des Typs HT750DRD auf ein GNK-Kirkstall-Hecktandem. Der V8-Turbomotor leistete laut Datenblatt 461 PS, wurde aber bei der Version für das Container-Terminal auf 414 PS reduziert. Damit sollte verhindert werden, dass beim Anfahren mit einem beladenen Zug die Bodenhaftung nicht ausreichte und die Räder durchdrehten, zum Beispiel bei Nässe. Im leeren Zustand war die Geschwindigkeit auf 30 km/h und bei Gewichten über 150 Tonnen auf 20 km/h begrenzt.
Der erste Prototyp einer FTF-Container-Zugmaschine mit DAF-Anhängern bei Testfahrten auf einer eigens angemieteten Fläche des Flughafens Rotterdam.
Testfahrten mit dem ersten Multi-Trailer-Train fanden auf einer eigens angemieteten Fläche des Flughafens Rotterdam statt. Nachdem sich diese Versuche als erfolgreich erwiesen hatten, wurde 1985 ein Vertrag mit Floor abgeschlossen. In der Folge lieferte FTF 15 neue Zugmaschinen des Modells FD-8.20D1 für den Betrieb des gerade eröffneten Delta-Terminals. Die Fahrzeuge bewährten sich so gut, dass drei Jahre später ein Folgeauftrag über fünf weitere Fahrzeuge erteilt wurde. Diese waren hinten nicht mit Kirkstall-, sondern mit Kessler-Achsen versehen.
Da der weltweite Gebrauch von Containern zunahm, wurde zwischen 1991 und 1994 eine weitere Serie von FTF-Zugmaschinen in die Hafenflotte aufgenommen. Diese ähnlich ausgestatteten Zugmaschinen wiesen einige marginale Änderungen wie einen neuen Kühlergrill auf. Einschließlich der Prototypen baute Floor insgesamt 40 Einheiten für das Terminal. Alle Fahrzeuge waren mit einem Ballastkasten ausgestattet, der zwei Betonblöcke mit einem Gesamtgewicht von 14 Tonnen aufnehmen konnte. Außerdem verfügten sie über eine robuste vordere Stoßstange, eine spezielle Anhängerkupplung und einen stabilen Stahlkäfig über und hinter dem Fahrerhaus zum Schutz des Fahrpersonals. Es wird berichtet, dass mindestens eine FTF-Zugmaschine einen Totalschaden erlitt, als ein beladener Container von einem Hafenkran fiel.
Nur vier dieser legendären FTF-Zugmaschinen haben überlebt. Einer steht im Hafen von Abu Dhabi, ein zweiter befindet sich in der Halle eines belgischen Lkw-Sammlers, und die beiden anderen sind Teil des FTF-Museums von Ton Spaansen in der niederländischen Ort 't Zand. Spaansens Interesse an Floor-Produkten geht auf das Jahr 1973 zurück, als das Familien-Transport-Unternehmen einen Lkw der Marke FTF mit Anhänger kaufte, um Sand, Ziegel, Muscheln und Baumaterial zu befördern. Der inzwischen Ex-Firmenchef, Jahrgang 1947, erzählt: ,,Als ich 25 Jahre alt war, fuhr ich mit dem Gespann jeden Tag fast 1000 Kilometer nach Belgien und zurück, um Steine aus einer Mine zu transportieren. Ich habe es einfach geliebt - vor allem das Geräusch des brüllenden V8-Motors, wenn es bergauf ging, hat mich fasziniert. Nach drei Jahren kauften wir einen weiteren FTF-Dreiachser, aber weil ich eine andere Aufgabe im Unternehmen zu übernehmen hatte, beschloss meine Familie kurze Zeit später, ihn wieder abzugeben. Fast 20 Jahre später stieß ich zufällig auf genau diesen Lkw und kaufte ihn gleich wieder zurück. Das war denn auch der Beginn meines Hobbys, der Restaurierung alter Nutzfahrzeuge.
Einige Jahre später gründeten meine Frau Ans und ich den FTF-Club und 2006 unser FTF-Museum. Dort fallen vor allem die beiden ehemaligen ECT-Zugmaschinen und ein riesiger FTF-Muldenkipper ins Auge, der einst in einem nahe gelegenen Stahlwerk im Einsatz war. "Es war nicht einfach, diese seltenen Biester zu bekommen", sagt Ton. Sowohl ECT als auch das Stahlwerk sind internationale Unternehmen, und ich musste mit verschiedenen Geschäftsführern verhandeln. Und man braucht auch Glück. Im Jahr 2003 erfuhren wir, dass das Terminal fast alle Container-Zugmaschinen ausmustern wollte, und wir hatten das Glück, die Einheit Nummer 940 zu bekommen. Das Fahrzeug war nicht nur die letzte Zugmaschine, die vom ECT bei Floor in Auftrag gegeben worden war, sondern auch der letzte FTF, der überhaupt gebaut wurde, bevor der Lkw-Hersteller 1994 seine Pforten für immer schloss.'' Diese Zugmaschine wird im Museum so gezeigt, wie sie vorgefunden wurde
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Fünf Jahre, nachdem Spaansen das letzte bei FTF hergestellte Fahrzeug für sein Museum erworben hatte, wurde beim ECT der einzige in Rotterdam noch verbliebene, funktionstüchtige FTF mit der Nummer 936 aus dem Verkehr gezogen. Es gelang dem Museum, auch diesen zu erwerben. In den letzten Jahren wurde er von Ton Spaansen mit Hilfe des Mechanikers Klaas Poutsma aufgearbeitet. Einige Verkleidungsarbeiten am Ballastkasten sowie das Sandstrahlen und Lackieren des gesamten Fahrzeugs wurden jedoch an eine professionelle Karosseriewerkstatt vergeben. Die Absicht ist, den seltenen FTF auch auf Oldtimertreffen zu präsentieren, aber das klingt einfacher als es ist. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von nur 30 km/h ist jede längere Fahrt mit ihm eine ziemliche Herausforderung!
Bleibt die Frage zu klären, was beim Containerriesen ETC nach der FTF-Zeit angeschafft wurde, um die Container auf dem Terminal zu bewegen. Nun, man klopfte an die Tür des belgischen Spezial-Lkw- und Anhängerherstellers MOL in Hooglede. MOL war als Hersteller von Terminal- und Ro-Ro-Zugmaschinen bekannt. Nachdem das Unternehmen beauftragt wurde, eine den besonderen Erfordernissen angepasste Sattelzugmaschine zu entwickeln, wurde der TG280 mit 4x4-Antrieb vorgestellt. Diese Spezialanfertigung war mit einem 430 PS starken Sechszylinder-DAF-Diesel mit 12,6 Litern Hubraum ausgerüstet, der mit einem Allison HD4060-Automatikgetriebe und einem Steyr VG 2001-Verteilergetriebe gekoppelt war. Die Kessler-Achsen hatten Tragfähigkeiten von 16 Tonnen vorne und 25 Tonnen hinten. Das CF-Fahrerhaus stammte ebenfalls von DAF.
Spätere Versionen dieses robusten, kompakten Arbeitstiers wurden mit Renault- oder Iveco-Fahrerhäusern ausgestattet, und als Motoren kommen jetzt Cummins-, Iveco- und Volvo-Dieselmotoren zur Verwendung. Die vollautomatische Anhängerkupplung wurde bei den TG280-Zugmaschinen von MOL beibehalten. Das Container-Terminal hat mehrere Dutzend dieser Terminalzugmaschinen angeschafft. Containerzüge mit bis zu sieben Anhängern und einem maximalen Bruttogewicht von 350 Tonnen können damit bewegt werden. Aber so gut sie auch sein mögen, das Motorgeräusch der MOL-Zugmaschinen kommt nicht an den Sound heran, den ein brüllender V8-Detroit-Diesel bei voller Leistung erzeugt.
Text: Niels Jansen
Fotos: Sammlung Niels Jansen