Nachbau: Ferrari-Transporter von Bartoletti

Vom Modell zum Original

Im Jahr 1957 gab Ferrari beim renommierten italienischen Karosseriebauer Bartoletti drei identische Spezialfahrzeuge in Auftrag. Mit den in Ferrari-Rot lackierten, spektakulären Transportern konnten jeweils drei Rennwagen zu den Rennstrecken Europas transportiert werden. In den folgenden Jahrzehnten gerieten die Rennwagen-Transporter fast in Vergessenheit, doch dann nahmen sich verschiedene Hersteller von Automodellen dieses Themas an. Von den Modellen inspiriert, wurden in den USA einige Kopien in Originalgröße gebaut und auch in den Niederlanden entstand in jahrelanger Detailarbeit eine originalgetreue Replik, die Niels Jansen in diesem Beitrag vorstellt.

Diese Geschichte nahm 2016 ihren Anfang, als Hans Hendericks und seine Frau Anita während eines Italienurlaubs auf die Idee kamen, zuhause in den Niederlanden eine ganz besondere Autovermietung ins Leben zu rufen. Spezialisiert auf klassische und moderne Cabrios wurde 2017 die Firma Cabriorent Events gegründet und schon bald waren überall in den Niederlanden farbenfrohe Oldtimer-Cabrios und spektakuläre Sportwagen der neuen Firma unterwegs. Doch eines fehlte anfangs noch: ein geeignetes, stylisches Transportmittel, mit dem sich die wertvollen Mietwagen von hier nach dort bringen ließen und das sich gleichzeitig für Werbezwecke nutzen ließ.

Vom Bartoletti-Rennwagen-Transporter gibt es Modelle verschiedener Hersteller und Maßstäbe. Ein Superlativ unter ihnen sind die Modelle des deutschen Herstellers CMC Modelcars im Maßstab 1:18. Varianten als Ferrari- und als Maserati-Transporter sind erhältlich sowie eine silberne Version ohne spezifische Markenzugehörigkeit namens „Clear Finish“. Die mit schier unglaublicher Detailgenauigkeit gefertigten Modelle verfügen über zahllose bewegliche Teile und täuschend echt gestaltete Oberflächen, auch im Innenraum. Dermaßen fein gearbeitete Miniaturen haben natürlich ihren Preis. Pro Stück kosten die Modelle 1.196 Euro ($ 1268.00). Mehr Informationen und viele Detailfotos gibt es unter diesem Link beim Hersteller.

Ausgehend von einem Modell des Rennwagen-Transporters auf Basis des Fiat 624 RN 2, der in den 1950ern von Bartoletti karossiert wurde, entstand der ambitionierte Plan, ein solches Auto im Maßstab 1:1 zu bauen. Als Grundlage wurde in Italien ein alter Fiat-Feuerwehrwagen vom Typ 642 RN 2 gekauft. Hans erklärt: „Nach einiger Recherche habe ich ihn in Cuneo gefunden. Das Fahrzeug war noch fahrbereit, aber nicht einfach zu handhaben. Es hatte zwei Schalthebel und man musste beim Schalten doppelt kuppeln. Außerdem fuhr es nicht schneller als 50 bis 60 Stundenkilometer – etwas zu langsam für einen Lkw, aber das war auf den kurvigen Bergstraßen Italiens offenbar kein Problem“. In den Niederlanden angekommen, begann sofort die Demontage des Fahrzeugs. Hans arbeitete dabei mit Sraar Roebbers Autoschade in Venlo zusammen. Schon bald war jedoch klar, dass es eine immense Herausforderung sein würde, das Fahrzeug in einen originalgetreuen Autotransporter zu verwandeln. Über Lintrailers in Venlo wurde der Lkw-Restaurator Theo Klaassen in Echteld um Unterstützung gebeten. Mit dem maßstabsgetreuen Modell unterm Arm fragte Hans: „Das möchte ich im Maßstab 1:1 bauen. Können Sie das machen?” Tatsächlich willigte Theo ein.

Zu den wenigen Fotos, die von den drei Originalen des Bartoletti-Rennwagen-Transprters aus den 1950er Jahren erhalten sind, gehören zwei Farbaufnahmen,. auf denen die Fahrzeuge mit Ladung zu sehen sind.
Die Frontansicht dieser beiden Rennwagen-Transporter zeigt die für Italien typischen Diagonalstreifen am Kühlergrill, die früher obligatorisch waren. Sie kennzeichneten die Art der Nutzung des Fahrzeugs: Rote Streifen bedeuteten, dass das Fahrzeug nur für den eigenen Gebrauch des jeweiligen Unternehmens genutzt wurde. Weiße Streifen wiesen dagegen auf den Einsatz des Fahrzeugs im gewerblichen Verkehr, also im Speditionsbetrieb, hin.

Der italienische Karosseriebauer Bartoletti aus Forlì nahe Bologna stellte 1957 drei maßgeschneiderte Transporter für Ferrari und einen für Maserati her. Kurz darauf baute Bartoletti ein ähnliches Fahrzeug auf Basis eines Fiat 682 RN. Dank ihrer teilweise offenen Karosserie konnten die Fahrzeuge jeweils drei Rennwagen transportieren.

Es war eine Mammut-Aufgabe, den Rennwagen-Transporter detailgetreu nachzubauen. Theo Klaassen erklärt: „Das Fahrgestell der Feuerwehr vom Typ Fiat 642 war hoch. Ein Busfahrgestell ist deutlich niedriger und hat Bögen über der Hinterachse. Außerdem hat es andere Federungspakete. Wir haben einen Teil des Lkw-Fahrgestells verwendet, ebenso die Räder mit Naben und zahlreiche kleinere Teile. Aus der Kabine verwendeten wir Teile wie Armaturenbrett, Fahrersitz, Motortunnel, Motor, Getriebe, Pedale und Schalthebel. Auch der Sechszylinder-Dieselmotor sowie Getriebe, Kupplung, Hinterachse, Räder und Naben des Lkw waren insgesamt noch in gutem Zustand.“

Das Rohmaterial für den Nachbau eines Bartoletti-Rennwagen-Transporters in den Niederlanden bestand aus den Resten eines Fiat-Busses vom Typ 642 RN2 und eines Fiat-Feuerwehrfahrzeugs. Zwar konnten von beiden Fahrzeugen wertvolle Teile verwendet werden, doch am Ende musste fast alles in Eigenarbeit neu angefertigt werden, um eine originalgetreue Replik auf die Räder zu stellen.
Ein Prospekt zeigt die Serienausführung des Fiat 642 RN 2. Das rostige Fundstück im Wald hatte jedoch nicht genau die gleiche Karosserie. Vermutlich wurde es einst bei einem Busaufbau-Hersteller gefertigt. 

Nach den fehlenden Teilen suchte Hans im Internet. In Italien entdeckte er den Besitzer eines Fiat-Busfahrgestells vom Typ 642 RN 2. Theo: „Das Ding lag seit Jahrzehnten kopfüber zwischen Brennnesseln in einer Schlucht. Über Google Maps konnten wir genau sehen, wo und was es war“. Hans fuhr dann mit einer Schleifmaschine und einer Tasche voller Werkzeug nach Italien, um die brauchbaren Teile auszubauen. Dazu gehörten die Vorderachse mit Federanschlägen, die Antriebswelle und einige kleinere Teile. Eine ziemliche Herausforderung war es, passende Scheinwerfer aufzutreiben. Glücklicherweise fand sich schließlich ein Satz neuwertiger Marshall-Scheinwerfer, sogar noch in der Originalverpackung!

Diese beiden Fotos zeigen den Blick in Theo Klaassens Werkstatt, in verschiedenen Stadien ist der Nachbau des Rennwagen-Transporters zu sehen. Auf dem oberen Foto sind die eigens angefertigte Kröpfung des Rahmens im Bereich der Hinterachse sowie die gekröpften Quertraversen über der Kardanwelle zu erkennen. 

In der Zwischenzeit arbeitete Theo in seiner Werkstatt fleißig daran, Dutzende von Teilen zu überholen oder von Grund auf neu anzufertigen. Er erklärt: „Ein Großteil des Busfahrgestells war noch brauchbar, die Vorderachse leider nicht. Also beschlossen wir, sie selbst herzustellen, da sie auch in Italien nicht mehr erhältlich war.“ Als das Fahrgestell fast fertig war, stürzte sich Theo auf den Bau der Karosserie. „Basierend auf Daten und Fotos aus authentischen Werksunterlagen wurde der gesamte Aufbau komplett von Hand gefertigt“, erklärt er. Auch die Hebebühne am Heck des Transporters wurde nach alten italienischen Vorgaben von ihm selbst entworfen und gebaut. Falze, Türen, Kühlergrill, Stoßstange und Kotflügel, wie auch die Front, das Dach und die Bodenplatte wurden nach traditionellen Methoden gefertigt. Aufgrund ihrer ungewöhnlichen Form war die Konstruktion der Türen eine besondere Herausforderung. Theo berichtet: „Die authentischen Informationen aus Italien waren für mich sehr hilfreich.“ So wurde beispielsweise mithilfe eines Fotos auch der schöne Kühlergrill komplett von Hand gefertigt.

Sichtlich zufrieden mit seinem Werk, dem er einige Jahre seines Lebens gewidmet hat, steht Theo Klaassen auf dem Dach des gelungenen Nachbaus. Kurz bevor das Fahrzeug zwecks Lackierung wieder auseinandergenommen werden musste, entstand dieses Foto.
Hier geht es zum Betrieb von Bert Maassen in Harskamp, wo die Vorbereitung zur Lackierung erfolgte, nämlich das Sandstrahlen und Grundieren, um das wertvolle Einzelstück für die Zukunft zu konservieren.
Blick in die Betriebshalle von Bert Maassen, wo die Teile gesandstrahlt und grundiert wurden

Als die Karosserie weitgehend fertiggestellt war, wurde der Fiat 642 RN 2 zum Betrieb von Bert Maassen in Harskamp transportiert. Dort zerlegte man das Auto wieder fast vollständig, um alles zu sandstrahlen und mit hochwertiger Grundierung zu versehen, einschließlich des Innenraums. Nach dem Zusammenbau erhielt die Karosserie eine Lackierung in zwei Rot-Tönen, Silber und Schwarz. Danach wurden Motor und Getriebe wieder eingebaut. Außerdem mussten die Steuerungen, wie zum Beispiel die Lenkung, wieder funktionsfähig gemacht und alle Kabel und Leitungen verlegt werden. „Wir haben uns alles genau angesehen, um herauszufinden, wie die originalen Bartolettis in den 1950er Jahren aussahen, nicht nur von außen, sondern auch von unten“, berichtet Theo. Auch die Hebebühne im Heck wurde detailgetreu nachgebaut. „Und sie funktioniert einwandfrei”, teilt Hans nicht ohne Stolz mit.

Das Wunder ist vollbracht: Nach acht Jahren aufwendigster Detailarbeit sieht das Replikat des Fiat 642 RN 2 mit Bartoletti-Aufbau dem Original täuschend ähnlich. Selbst ein Zeitzeuge aus den 1950er Jahren würde vermutlich keinen Unterschied entdecken.
Herrlicher Anblick: Ferrari-Rennwagen-Transporter, angefertigt von Theo Klaassen für seinen Auftraggeber Hans Hendericks, der ursprüglich die Sportwagen seiner Oldtimer-Autovermietung "CabrioRentEvents" damit transportieren wollte.
Ein Blick ins Innere des langen Fahrerhauses zeigt die makellose Verarbeitung der Inneneinrichtung sowie die Möglichkeit, die Sitzbank zum Etagenbett umzufunktionieren.
Tatsächlich ist die gesamte Mechanik zum Aufladen von drei Rennwagen mitsamt aller Einzelteile in Eigenarbeit bei Theo Klaassen entstanden. Wie gut, dass sich in Italien noch Originalunterlagen auftreiben ließen, aus denen die entsprechenden Maße und Details hervorgingen!
Links ist die Rückansicht zu sehen, rechts ein Blick ins Innere des fahrbaren Ersatzteillagers zwischen Fahrerhaus und Laderaum. Hans Hendericks ist gerade dabei, verschiedene Kartons in das sorgfältig nachgebildete Holzregal einzuordnen.
Ein Blick auf den Fahrersitz und das Armaturenbrett verrät: Bei italienischen Nutzfahrzeugen war der Fahrersitz früher zumeist rechts angeordnet. So hatte der Fahrer auf den engen, kurvigen Bergstraßen des Landes eine bessere Sicht auf den rechten Straßenrand. Ein Überholen kam ohnehin kaum in Frage.
Sogar die Klappe mit dem Fiat-Logo und dem Schriftzug der Carrozzeria Bartoletti, hinter der sich der Öleinfüllstutzen verbirgt, wurde komplett von Hand gefertigt – inklusive Scharnier und Verschlussmechanik. Rechts noch ein Blick auf den Fahrerplatz.

Theo Klaassen ist zufrieden mit der Lösung der komplexen Aufgabe, die acht Jahre in Anspruch nahm: „Das Projekt ist eigentlich unbeschreiblich. Es ist alt, es ist neu, es ist einzigartig!“ Die originalen Ferrari-Transporter aus den 1950er Jahren waren für die Scuderia Ferrari aus Modena eine extrem teure Investition. Sie blieben bis 1970 im Einsatz und legten in dieser Zeit Hunderttausende von Kilometern zu Formel-Eins-Rennstrecken in ganz Europa zurück. Der 642 RN 2 und später der etwas leistungsstärkere 682 RN 2 waren nicht nur für logistische Zwecke konzipiert, sondern dienten auch als Werkstatt, Schlafunterkunft und Werbeträger. Der einzigartige Ferrari-Transporter aus den Niederlanden wird jedoch nicht viele Kilometer zurücklegen. „Zumindest nicht aus eigener Kraft“, sagt sein Besitzer. „Der Fiat fährt sich gut, aber er ist zu wertvoll, um ihn im dichten Verkehr zu fahren.“ Deshalb stellen sie ihn lieber auf einen Tieflader, wenn sie ihn zu einer Veranstaltung bringen. „Denn wir wollen ihn unbedingt der Welt zeigen!“ Die Cabrio-Vermietung hat inzwischen den Besitzer gewechselt, doch der Rennwagen-Transporter bleibt im Besitz der Familie Hendricks und wird immer wieder bei Veranstaltungen mit klassischen Automobilen dem staunenden Publikum präsentiert.

Niels Jansen

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