Die kurze Geschichte der Argyle-Lastwagen
Ein schottisches Firmenschicksal: Das Aus kam nach drei Jahren
Ein überschaubares Kapitel aus der internationalen Lkw-Geschichte sind Nutzfahrzeuge aus schottischer Produktion. Die Argyle Motor Manufacturing Company aus East Kilbride im Nordwesten des Landes, etwa 15 Kilometer entfernt von Glasgow, war ein Beispiel für den Anteil Schottlands an der britischen Nutzfahrzeugproduktion. Doch schon nach wenigen Jahren ging zu Ende, was kaum begonnen hatte. Immerhin verließen 25 Einheiten das Argyle-Werk. Inzwischen ist ein halbes Jahrhundert vergangen und Richard Stanier aus Stoke-on-Trent wirft einen Blick zurück auf einen hoffnungvollen Anfang und das plötzliche Ende.
Als Lkw-begeistertes Kind schätzte ich mein Exemplar von "The Observer's Book of Commercial Vehicles" für das Jahr 1971. Es war ein unschätzbares Nachschlagewerk für die vertrauten Lastwagen auf den Straßen Großbritanniens und ein Vorgeschmack auf die bis dahin unbekannten exotischen Marken aus Übersee, die in der Publikation aufgeführt waren.
Zu den faszinierenden Fahrzeugen in den Listen gehörte das Argyle Christina 16-Tonnen-Fahrgestell, von dem ich erfuhr, dass es eine neue schottische Konstruktion war, und ich hielt eifrig Ausschau nach meiner ersten Sichtung eines solchen Biests, die natürlich nie stattfand.
Als älterer Junge entwickelte sich mein Interesse am Sammeln von Prospekten, Fotos und Informationen über Lastwagen so weit, dass ich genug Material hatte, um die kurze Geschichte der Marke zusammenzustellen:
William Moffat hatte 1963 in East Kilbride, South Lanarkshire, die Firma Argyle Diesel Electronics Ltd. gegründet, die bis heute als Spezialist für Dieseleinspritzung und -diagnose tätig ist. Im November 1968 gründete Moffat die Argyle Motor Manufacturing Company Ltd. im Flakefield Estate, wo er schottischen Spediteuren ein ausgereiftes Lkw-Fahrgestell mit kurzen Lieferzeiten und einem sorgfältigen und reaktionsschnellen Kundendienst anbieten wollte.
Der erste dort produzierte Lkw war der "Christina" mit 16 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht, der im April 1970 fertiggestellt wurde. Auf dem Foto am Anfang dieses Beitrags ist das Fahrzeug vor der Auslieferung zu sehen. Es war für die Spedition J&R Wright aus Rutherglen vorgesehen die ein Gütertransportgeschäft im Umkreis von 150 Kilometren rund um Glasgow betrieb (Bildnachweis: George Oliver, Glasgow).
Die Christina-Modelle wurden als Transportfahrgestell mit einem Radstand von 527 Zentimetern angeboten, später auch als Kipperfahrgestell mit einem Radstand von 380 Zentimetern.
Die technischen Daten waren nicht außergewöhnlich: ein Perkins-6.354-Motor, der mit einem Eaton Yale & Towne 5-Gang-Getriebe und einer Kirkstall-Vorderachse sowie einem Eaton 2-Gang-Getriebe mit elektrischem Antrieb hinten verbunden war. Das Fahrerhaus war das beliebte Motor-Panels-Mark-III-Modell, dessen Design am ehesten dem Seddon "Supa Cab" ähnelte. Viele englische Lkw-Hersteller bezogen ihre Fahrerhäuser von der Firma Motor Panels aus Coventry. Das Argyle-Fahrerhaus unterschied sich aber durch längliche Scheinwerfer und einen oberen Kühlergrill in ähnlicher Form wie das British Leyland Ergomatic-Design. Zwei gekreuzte Stäbe im unteren Teil des Kühlergrills erinnerten an das Andreas-Kreuz auf der schottischen Nationalflagge.
Bei genauerer Betrachtung der Konstruktion lassen sich jedoch einige Unterschiede zu ähnlichen Modellen feststellen, die zu dieser Zeit bereits auf dem Markt waren. Moffat setzte auf seine Vision eines qualitativ hochwertigen, handgefertigten Zweiachsers in einem Marktsegment, das von Foden oder Atkinson nicht bedient wurde.
Der Christina hatte einen geraden Rahmen, der von Ayrshire Metals geliefert wurde. Dies ermöglichte, durchgängig hochfesten Stahl zu verwenden, statt eines Stahls mit geringerer Streckung, um eine "abgesenkte" Frontpartie zu ermöglichen. Trotzdem konnte die Einstiegshöhe mit 70 cm recht niedrig gehalten werden. Es wurden Hardy-Spicer-Getriebewellen der Serie 1600 anstelle der häufigeren Serie 1510 verwendet und eine 36-Zentimeter-Kupplung anstelle einer mit 33 Zentimetern Durchmesser eingebaut. Das Eaton 542-ENV-SME-Getriebe war ein Synchrongetriebe und die Bremstrommeln waren großzügig dimensioniert. Der Lkw verfügte über Federspeicherbremsen mit Westinghouse-Kammern des Typs 24 vorne und des Typs 30 hinten. Eine integrierte Servolenkung von Burman war serienmäßig eingebaut.
Die Argyle-Ingenieure achteten auch auf die Wartungsfreundlichkeit: Der Kühler war so konstruiert, dass er sich leicht ausbauen ließ, da er einfach oben am Rahmen verschraubt war. Der Motor konnte durch Entfernen von acht Bolzen an einem umgekehrten Querträger, der als vordere Motorbefestigung diente, von vorne ausgebaut werden. Der Zugang zu den elektrischen Einheiten war ebenfalls gut, und das Fahrerhaus verwendete nicht die standardmäßige Bodenwanne der Motor Panels. Argyle-Lastwagen hatte einen flachen Boden um den Fahrer herum und einen guten Zugang zum Motor durch eine einteilige, aufklappbare Abdeckung.
Das Presse-Echo war im Frühjahr 1970 positiv, und das erste Fahrzeug stand für begrenzte Straßentests zur Verfügung. Kleinere Kritikpunkte waren die um 8 Zentimeter versetzte Sitzposition und das zentral angeordnete Armaturenbrett mit den nicht unterscheidbaren Kippschaltern. Das Fahrverhalten, die Leistung und die Fahreigenschaften wurden insgesamt positiv bewertet. Allerdings habe ich anekdotische Berichte darüber gehört, dass der Christina im Betrieb zu Erschütterungen und Vibrationen neigte, was möglicherweise auf die Positionierung der Querträger im Fahrgestell zurückzuführen war.
Joseph Wright, der Käufer des ersten Argyle, erklärte gegenüber der Presse, dass er das Fahrzeug nach Problemen mit den Lieferzeiten für Neufahrzeuge und Ersatzteile anderer britischer Hersteller gekauft hatte und bereit war, dem neuen Modell eine Chance zu geben, seinen Wert zu beweisen. Obwohl der Christina etwa 100 Pfund teurer und 100 kg schwerer war als ein gleichwertiger Seddon, berichtete Wright, dass der Lkw sehr vielversprechend und bei den Fahrern durchaus beliebt sei.
Das Kipperfahrgestell wurde ab August 1970 angeboten, und in den folgenden beiden Jahren wurden die Christinas auch bei Robert Pollock in Glasgow, A&J Clarke in Rutherglen und WH Malcolm in Paisley eingesetzt.
Im November 1971 war Argyle auf der Scottish Motor Show in der Kelvin Hall, Glasgow, vertreten, wo ein Kipper-Fahrgestell ausgestellt wurde, und zu diesem Zeitpunkt waren bereits fünf Christina-Kipper bei William Griffith in Whitburn in Betrieb.
Das damalige Werbematerial von Argyle verweist auf die in den zwanziger Jahren unter dem Namen Argyll gebauten Fahrzeuge aus Alexandria nordwestlich von Glasgow, obwohl die nichts mit der Firma in Flakefield zu tun hatten. Auch blickt es auf eine glänzende Zukunft der Zusammenarbeit mit den Herstellern von Gibson Pendulum-Müllpressen sowie auf mögliche Exporte nach Saudi-Arabien.
Im Februar 1973 meldete die Fachzeitschrift "Commercial Motor" jedoch, dass die Produktion des Christina aufgrund der starken Konkurrenz durch andere Hersteller im 16-Tonnen-Bereich eingestellt worden war und dass ein neuer 24-Tonnen-Dreiachser mit dem Namen Karen sowie eine 32-Tonnen-Zugmaschine mit dem Namen Linsay in Planung waren. Interessanterweise wurde auch berichtet, dass Argyle einen speziellen Traktor, den Trilby, für die British Steel Corporation gebaut hatte. Bei diesem Haubenwagen handelte es sich um eine schwere 4x2-Zugmaschine, die anstelle einer vollständigen Kabine über eine Schürze und eine Windschutzscheibe verfügte. Das Fahrzeug wurde von einem Cummins 220-Motor angetrieben und war für den Betrieb mit 120 Tonnen ausgelegt war.
Obwohl der Trilby das erste von drei Fahrzeugen sein sollte, die vorbehaltlich einer erfolgreichen Erprobung bestellt wurden, wurde vermutlich nur ein einziges gebaut, und mit Sicherheit erreichten keine Exemplare des Karen oder des Linsay jemals die Produktion, was bedeutet, dass die Fahrzeugherstellung bei Argyle nur etwa drei Jahre dauerte.
Vor etwa einem Jahrzehnt postete ich einige Fotos des Argyle Christina in den sozialen Medien, woraufhin ein Kommentator, der behauptete, im Namen von William Moffat zu handeln, einige Informationen lieferte. Sie bestätigten, dass die Gesamtproduktion von Fahrzeugen 25 Einheiten betrug, die sich gleichmäßig auf Transport- und Kippermodelle verteilten, wobei das zusätzliche Fahrzeug vermutlich der Trilby war, und dass heute kein Fahrzeug bekannt sei, das noch existiere.
Wenn Leser weitere Informationen oder Fotos von Argyle haben, wäre ich sehr daran interessiert. Ich bitte um Kontaktaufnahme unter richard@truckinfocus.com
Text: Richard Stanier
Fotos: Sammlung Richard Stanier