Die Scania-Chronik

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Von Christoph Büch und Steve St.Schmidt (Berlin 2023)

Serie 2 ab 1980:
Konsequentes Baukastenprinzip

Im Jahr 1980 präsentierte Scania ein völlig neues Fahrzeugprogramm. Die Serie 2, manchmal auch als GPRT-Baureihe bezeichnet, galt als die erste vollständig modulare Lkw-Baureihe der Welt. Vier Kabinenvarianten waren möglich:

G   extra niedriges Fahrerhaus mit zwei Trittstufen, kurz (G wie Geisha)
P   niedriges Fahrerhaus mit drei Trittstufen, kurz oder lang  (P wie Pretty)
R   hohes Fahrerhaus, kurz oder lang (R wie Royal)
T   Fahrerhaus für Haubenwagen, kurz oder lang (T wie Torpedo)

Drei Rahmentragfähigkeiten standen zur Auswahl, deren Kennbuchstaben neben der Modellbezeichnung von außen ablesbar waren:

M   für Verteiler- und Regionalverkehr (M wie Medium)
H   hohe Steifigkeit für Fernverkehr (H wie Heavy)
E   doppelte Rahmenschienen für Baustelle und Schwertransport (E wie Extra heavy)

Die Grundmodelle hießen nun 82, 112 und 142. Die Buchstaben L für Haubenwagen und LB für Frontlenker entfielen. Unter verschiedenen Radkonfigurationen, Getrieben und unterschiedlichen 8- bis 14-Liter-Motoren mit einer erneuten, teilweise erheblichen Leistungssteigerung konnte gewählt und kombiniert werden. Das Resultat war eine Vielfalt möglicher Lkw-Modelle, deren hohe Zahl von Gleichteilen einer kostenoptimierten Fertigung zugute kam.

Beide Fotos zeigen Scania-Dreiachser vom Typ 82 mit P-Fahrerhaus und H-Fahrgestell. Oben ein spanisches Exemplar, aufgenommen im September 1987 in Castelló de la Plana, unten ein Curtainsider aus Großbritannien.
Der hier abgebildete Scania Typ 112 mit hohem R-Fahrerhaus und M-Fahrgestell war bei der 1941 gegründeten spanischen Spedition Zozaya S.A. im Einsatz. Die Aufnahme entstand 1987 in Celrà.
Dieser Scania R 142 M war höchstens zwei Jahre alt, als er 1982 an einer Tankstelle in Frosinone, Italien, fotografiert wurde. Man beachte die Anordnung der Zierleisten am Kühlergrill.

Das Design des Fahrerhauses entstand in Zusammenarbeit mit dem Industriedesigner Giorgetto Giugiaro und seinem Team von Italdesign in Turin. Dabei wurde bewusst an die Vorgängerserie mit den typischen horizontalen Lamellen an der Front angeknüpft. Die bisher bei den Frontlenkern senkrecht stehende Windschutzscheibe wurde zur Verbesserung des aerodynamischen Widerstandes um 20 Grad geneigt, nachdem man Versuche mit verkleinerten Modellen (1:10 und 1:2) in einem Windkanal in Großbritannien durchgeführt hatte. Schon früher basierten die Frontlenker, wie auch die Technik, auf einem Baukastensystem mit möglichst vielen gleichen Teilen. Bei den neuen Modellen wurde dieses Prinzip konsequent weiterentwickelt. Das Fahrerhaus der Hauber und Frontlenker war baugleich. Die alten, auf die 1950er Jahre zurückgehenden Haubenwagen waren endgültig Geschichte.

Die Sattelzugmaschine vom Typ T 112 H der Berliner Spedition Steingräber ist ein sorgfältig restauriertes Sammlerstück. Das Foto entstand 2021 in Berlin auf der Glienicker Brücke, wo zu Zeiten des Kalten Krieges Spione aus Ost und West ausgetauscht wurden.
Dieser Schwertransport wurde von einer 6x4-Sattelzugmaschine des Typs T 142 E gezogen. Die Aufnahme entstand 1985 in Valence, Frankreich.

Auf dem Turiner Automobilsalon 1983 präsentierte Scania sein Flaggschiff, den R 142 mit Ladeluftkühler, der die Leistung auf 420 PS steigerte. Erkennbar war diese Innovation am Schriftzug „Intercooler“ neben dem V8-Logo. Äußerlich blieb das Fahrzeug nahezu identisch, doch um den Ladeluftkühler unterzubringen, mussten die Designer einen modifizierten Kühlergrill entwerfen, der auf den ersten Blick identisch aussah, die Front aber um fünf Zentimeter verlängerte. Im Vergleich zu den Versionen ohne Ladeluftkühler verlief der Bereich mit dem Scania-Schriftzug zwischen Windschutzscheibe und Kühlergrill nicht mehr völlig senkrecht, sondern leicht schräg. Erstmals wurde für diese Version die exklusive Ausstattung „King of the Road“ angeboten, erkennbar an einem großen Schriftzug auf dem Spoiler. Die Serienausstattung war beispiellos: Standheizung für Fahrerhaus und Motor, Klimaanlage, HiFi-Radio mit Kassettendeck, unterer Spoiler, Nebelscheinwerfer, Drucklufthörner, beheizbare Außenspiegel, getönte Scheiben, besondere seitliche Zierstreifen, zwei Sonnenliegen, Samt-Innenausstattung und Luftfederung hinten.

Diese beiden Fotos zeigen deutlich den äußerlichen Unterschied, wenn ein Ladeluftkühler eingebaut war. Oben mit komplett senkrechter Front (ohne Ladeluftkühler), unten mit Ladeluftkühler und einer kleinen Schräge unter der Windschutzscheibe, die die Front um fünf Zentimeter verlängerte, um das Aggregat unterzubringen.

Natürlich erhielten auch die Haubenwagen der Baureihen 112 T und 142 T den Ladeluftkühler. Um dafür Platz zu schaffen, mussten die Hauben um einige Zentimeter nach vorne wachsen, erkennbar an einer neuen, seitlich verlängerten Kühlermaske.

Auch bei den Haubenfahrzeugen konnte man nicht nur an der Intercooler-Plakette erkennen, ob ein Ladeluftkühler eingebaut war, denn auch hier verlängerte sich die Front um ein paar Zentimeter. Man sieht es an der seitlich etwas längeren Kühlermaske.

Nach und nach erhielten alle aufgeladenen Motoren den Intercooler, der für mehr Wirtschaftlichkeit, Leistung und Effizienz sorgte. Diesem Prinzip folgten bald alle anderen Hersteller. 1984 brachte Scania als erster europäischer Lkw-Hersteller eine elektronische Schalthilfe unter dem Namen CAG (Computer Aided Gearshift) auf den Markt. 1985 bekam das Modell 82 einen neuen Antrieb. Der Acht-Liter Motor (DN 8, DS 8 oder DSI 8) wurde durch einen Neun-Liter-Motor (DS 9 oder DSC 9) ersetzt. Folglich änderte sich die Typenbezeichnung der Fahrzeuge von 82 in 92. Bemerkenswert ist auch, dass ab 1985 alle Fahrerhausbleche von Scania verzinkt waren.

1984 änderte sich auch der Scania-Schriftzug an der Front der Fahrzeuge und in der Werbung. Eine modernere und dynamischer wirkende Typografie mit ineinander laufenden Versalien ersetzte den bisherigen Schriftzug aus Einzelbuchstaben, den man seit 1975 verwendet hatte.

Dieser Scania P 92 M mit Ladeluftkühler war bei der ehemaligen staatlichen spanischen Ölmonopolgesellschaft Campsa im Einsatz. Die Aufnahme entstand 1988 in Empúries.

Der „kleine“ 9-Liter-Motor leistete nun 300 PS, der 11-Liter-Sechszylinder erreichte 360 PS und der große 14-Liter-V8 war mit 420 PS wieder einmal an der Leistungsspitze Europas.

Die 1980er Jahre waren für Scania erfolgreich. Die Produktion stieg von 25.566 Fahrzeugen im Jahr 1980 auf 35.602 im Jahr 1989, bei einem Exportanteil von 80 bis 95 Prozent. Neue Montagewerke entstanden in Südkorea, Tansania, Botswana und Zimbabwe. Scania war zum Global Player geworden.